Eizellspende legalisieren: "Ich bin ihre leibliche Mutter. Und dann gibt es noch eine Spenderin."
Samenspenden sind seit Jahrzehnten erlaubt, Eizellvermittlungen immer noch verboten. Vorgenommen werden sie dennoch. Eine Mutter erzählt, wie es sich anfühlt.
Samenspenden sind seit Jahrzehnten erlaubt, Eizellvermittlungen immer noch verboten. Vorgenommen werden sie dennoch. Eine Mutter erzählt, wie es sich anfühlt.
Kinder waren für Alina schon immer Teil ihrer Lebensplanung. Mit 30 lernt sie den Mann kennen, mit dem sie sich ein Familienleben vorstellen kann, drei Jahre später soll es so weit sein. Doch schwanger zu werden ist alles andere als leicht. Nach einer Fehlgeburt finden sich die beiden schnell in einer Kinderwunschklinik wieder. Die Behandlung ein Erfolg: Alina bringt einen Sohn zur Welt. Schon damals ist ihr klar: "Wenn wir noch ein zweites Kind wollen, dürfen wir keine Zeit verschwenden." Sie versuchen es erneut, erst ohne, dann mit Unterstützung. Nur will es dieses Mal nicht klappen. Zwei Jahre, viele Tränen und Versuche später haben die beiden kaum noch Hoffnung, ein zweites Baby zu bekommen.
"Seid doch zufrieden, ihr habt doch ein gesundes Kind."
Ein Satz, den Alina häufiger zu hören bekommt. Doch für sie und ihren Mann kommt überhaupt nicht infrage, aufzuhören. "Der Wunsch nach einem zweiten Kind kann genauso stark sein, wie der Wunsch nach dem ersten", sagt sie. Umso mehr treffen sie solche Kommentare. Denn was oft nicht gesehen werde, sei das persönliche Leid der Betroffenen. Jede nicht-erfolgreiche Behandlung stürzte sie in ein tiefes Loch. "Von Mal zu Mal dauert es länger, sich aus diesem Loch zu befreien, während man auf der Straße andere Schwangere und Mütter mit Kinderwagen sieht." An einem dieser Tiefpunkte fragte sie ihre Ärztin schließlich, ob sie sich schon mal über eine Eizellspende Gedanken gemacht hätten. In dem Moment unvorstellbar für Alina: "Für mich brach eine Welt zusammen. Ich habe gedacht, sie gibt uns auf."
Die verbotene Frucht
Dass ihre Frauenärztin die Option Eizellspende überhaupt anspricht, ist ungewöhnlich. Kinderwunschzentren und Ärzt:innen dürfen in Deutschland zu dem Thema nicht beraten: Eizellspenden sind hier verboten.
Deutschland bildet damit eine Ausnahme im europäischen Raum. In vielen anderen Ländern ist das Spenden von Eizellen erlaubt. Vorreiter sind Spanien und Tschechien. Nicht nur, was moderne Reproduktionsmedizin betrifft: Über die Hälfte aller Eizellspendenbehandlungen im europäischen Raum werden in diesen Ländern durchgeführt. Hierzulande greift das 35 Jahre alte Embryonenschutzgesetz, welches Föten vor sogenannten fremdnützigen Zwecken schützen soll. Dazu zählt neben der Forschung an Ungeborenen auch die Eizellspende.
Eizellspenden nur mit finanziellem Anreiz?
Verboten wurde die Eizellspende 1990 insbesondere mit dem Argument der "gespaltenen Mutterschaft": Befürchtet wurden Schäden für das Kind, da die gebärende, soziale Mutter nicht die genetische ist. Zwei Väter hingegen erschienen unproblematisch. Samenspenden waren damals bereits seit 20 Jahren möglich, also lange erprobt. Auch heute ist es die einfachste medizinische Maßnahme bei männlicher Unfruchtbarkeit. Die Entnahme und Abgabe von Eizellen hingegen birgt größere medizinische Risiken, höheren Aufwand und Belastungen für die Spenderinnen. Ob sie diese auf sich nehmen möchten, dürfen Frauen hier jedoch nicht selbst entscheiden. Das bestimmt der Gesetzgeber.
Zusätzlich gibt es ethische Bedenken: Länder, in denen die Eizellvermittlung erlaubt ist, wie Österreich, Großbritannien und die Niederlande, zeigen, dass ohne deutliche finanzielle Anreize nur sehr wenige Frauen bereit sind, ihre Eizellen abzugeben. Zu wenige, um den Bedarf zu decken, so dass häufig auf Eizellen aus Ländern zurückgegriffen wird, in denen Frauen aus finanzieller Not spenden.
Für Alina ist eine fremde Eizelle die letzte Hoffnung. Obwohl sie mehr als genug eigene Eier hat, stimmt etwas nicht: Fast alle ihre Embryonen wiesen Chromosomenschäden auf, die sie lebensunfähig machen. Festgestellt wurde das in Spanien, wo Präimplantationsdiagnostik erlaubt ist. In Deutschland sind solche Untersuchungen ebenfalls durch das Embryonenschutzgesetz verboten bzw. nur nach Genehmigung durch die Ethikkommission möglich und sehr teuer.
Frauen mit ähnlichen Diagnosen oder solche, die wegen einer Krebsbehandlung keine fruchtbaren Eizellen mehr haben, haben ohne eine gespendete Eizelle keine Chance mehr, schwanger zu werden. Also zieht es immer mehr Paare oder Frauen ins Ausland. Meist nach Spanien und Tschechien. Dort erfolgt die Spende anonym.
Das Recht auf das Wissen um die eigene Herkunft
Die so entstandenen Kinder haben später keine Möglichkeit, etwas über ihre genetischen Mütter herauszufinden. Das verfassungsrechtlich verbriefte Recht auf Kenntnis seiner Herkunft bleibt dem Kind versagt und das wiederum kann bei den Spenderkindern später zu psychosozialen Problemen führen. So erklärt Dr. Anne Meier-Credner, Pressesprecherin von Spenderkinder e.V.: "Heutzutage wird empfohlen, dass Spenderkinder möglichst früh, am besten von Anfang an, über ihre Entstehungsgeschichte aufgeklärt werden. Erfahren Spenderkinder erst als Erwachsene davon, ist das oft eine große Herausforderung, weil sie ihre Identität auf neue Füße stellen müssen und sie sich gleichzeitig in der Beziehung zu ihren Eltern getäuscht und betrogen fühlen." Trotzdem deuten Studien darauf hin, dass die meisten Eltern ihre Kinder noch nicht aufgeklärt haben.
Etwas, das Alina unbedingt vermeiden will. Sie liest in Foren und Gruppen, sucht den Kontakt zu Expert:innnen und setzt sich lange mit dem Gedanken auseinander, was es bedeuten würde, ein Kind zu bekommen, das genetisch nicht ihres ist. Für sie als Mutter, vor allem aber für das Kind.
"Ich wollte fürs Kind das Beste und nicht, dass es irgendwann mal damit hadert."
Deshalb kommt für das Paar nur eine offene Spende in Frage. Es sollte kein Familiengeheimnis geben, weshalb auch Angehörige, Freunde und ihr Sohn Bescheid wissen: "Wir haben ihn kindgerecht aufgeklärt. Für ihn ist es egal, ob er nun aus meiner Eizelle entstanden ist und seine Schwester aus einer fremden Eizelle." Sie entscheiden sich für eine Behandlung in Dänemark. Wenn das Kind 18 ist, organisiert die Klinik auf Wunsch ein einstündiges Gespräch mit der Spenderin. "Und sie weiß ebenso: In einigen Jahren will mich vielleicht ein junger Mensch kennenlernen und damit bin ich einverstanden."
Vielen anderen Paaren sind die besonderen Herausforderungen, die eine Eizellspende oder eine Samenspende für die Eltern, das Kind und die Spenderin bedeutet, vorher nicht bewusst. Anne Meier-Credner vom Verein Spenderkinder e.V. erklärt auf Nachfrage: "Wenn man sich alle Beteiligten Personen, die Wunscheltern, den weiteren genetischen Elternteil, die Halbgeschwister und deren weitere Familien sowie das Spenderkind einmal auf einem Blatt Papier aufzeichnet, wird schnell deutlich, was da für ein großes menschliches Geflecht entsteht. Darauf sind die Beteiligten oft nicht wirklich vorbereitet."
Neun Versuche, neunmal Scheitern
In der Klinik in Dänemark wird für Alina nun eine passende Spenderin gesucht. Augenfarbe, Haarfarbe, Größe: Es gibt viele Parameter, die man sich wünschen kann. "Für mich war eigentlich nur wichtig, dass sie kein ganz heller Typ ist, weil ich braune Augen und Haare habe. Ich dachte, es ist besser fürs Kind, wenn man nicht auf den allerersten Blick sieht, dass wir genetisch nicht zusammen gehören", sagt Alina. Entscheidend für sie war eher, dass der Charakter passt.
Neun Versuche unternahm Alina insgesamt, um ein genetisch eigenes Kind zu kriegen. Neunmal Scheitern. "Bei vielen Frauen, die eine Eizellspende in Anspruch nehmen, geht ein großes Leid vorweg." Sie kenne eine Frau, deren Baby mit Trisomie 21 geboren wurde und das nur wenige Wochen nach der Geburt verstarb. Eine andere habe ihr sehr frühes Frühchen kurz nach der Geburt verloren und versucht nun über diesen Weg ein gesundes Kind zu bekommen. Es sind tiefe Narben, die die Kinderwunsch-Zeit auch auf Alinas Seele zurückgelassen hat. "Viele Dinge triggern mich auch noch heute und ich fange an zu weinen. Beispielsweise, wenn Menschen in meinem Umfeld ungeplant und unkompliziert schwanger werden. Ich hadere damit, hadere mit dem Schicksal, mit dem Universum."
Für ihren Kinderwunsch hat die Familie insgesamt etwa 60.000 Euro ausgegeben. Ausgaben, die sich längst nicht alle Paare mit unerfülltem Kinderwunsch leisten können. Nicht wenige verschulden sich für ihren Traum – mit ungewissem Ausgang. Für Alina und ihren Mann wird er wahr: Aus der Spende entsteht nur ein Embryo. "Aber es hat gereicht. Heute ist meine Tochter ein Jahr alt. Sie sieht eins zu eins aus wie ihr Vater." Alina und ihr Mann sind unendlich dankbar für ihre Tochter, hätten sich aber wenige Hürden von außen gewünscht. "Bis man den Weg der Eizellspende geht, ist schon viel passiert und viele Frauen brechen irgendwann ab, weil sie es nicht mehr ertragen, weder körperlich noch seelisch."
Psychosoziale Herausforderungen für alle Beteiligten
Mittlerweile konnten verschiedene Studien die Problematik der "gespaltenen Mutterschaft" zwar entkräften, ebenso die Sorge um etwaige Spätfolgen für Spenderkinder. Eine gespaltene Mutterschaft spürt auch Alina nicht. "Ich bin ihre leibliche Mutter, sie ist mein Kind. Und dann gibt es noch eine Spenderin, die sie kennenlernen kann, wenn sie 18 Jahre alt ist. Falls sie das möchte."
Die meisten aufgeklärten Spenderkinder wollen wissen, wer ihr genetischer Elternteil ist und suchen früher oder später den Kontakt, erklärt Anne Meier-Credner vom Verein Spenderkinder e.V.. "Der genetische Elternteil wurde aber so ausgesucht, dass er möglichst wenig Interesse an einer zwischenmenschlichen Beziehung zum Kind hat." Und das birgt wiederum Herausforderungen, "z.B. die Tatsache, dass die genetische Mutter eingewilligt hat, keine soziale Beziehung zu ihm zu haben." Die Wunschmutter müsse sich womöglich damit auseinandersetzen, dass das Kind früher oder später mehr über seine genetische Mutter erfahren möchte. Die wiederum müsse sich darauf einstellen, dass irgendwann jemand mit ihr Kontakt aufnimmt und fragt, weshalb sie ihre Eizellen abgegeben hat. Vielleicht gibt es sogar weitere Geschwister oder Halbgeschwister in anderen Familien und von der Spenderin selbst.
Reform des Embryonenschutzgesetzes längst überfällig
Nichtsdestotrotz sind Eizell- und Samenspende gängige und nachgefragte Methoden der Reproduktionsmedizin. Behandlungsmöglichkeiten, die hier verboten sind, werden im Ausland wahrgenommen. Unter anderem deshalb fordern Reproduktionsmediziner:innen seit Jahren: Das deutsche Embryonenschutzgesetz brauche dringend eine Reform, um es den aktuellen Forschungen, medizinischen Möglichkeiten und den gesellschaftlichen Entwicklungen anzupassen. Forderungen, denen die Bundesministerien für Gesundheit, Justiz und Familie nachkommen wollten. Ein Arbeitskreis, bestehend aus 18 Expert:innen, hatte sich ein Jahr lang diesen Themen gewidmet und im April seinen Bericht vorgelegt, in dem unter anderem empfohlen wird, die Abgabe von Eizellen unter bestimmten Voraussetzungen zu legalisieren. Doch von der Politik wurde das Thema bislang nicht angefasst. Dabei sei es notwendig, den Paaren eine legale Alternative zu kommerziellen Eizellspenden im Ausland zu ermöglichen, erklärt die Endokrinologin und Reproduktionsmedizinerin Monika Bals-Pratsch gegenüber dem Ärzteblatt.
Dass es den verzweifelten Paaren überhaupt so schwer gemacht wird, findet auch Alina falsch. "Ich kann nicht verstehen, warum es immer noch verboten ist. Vor allem, weil man das Gesetz gestalten könnte. Es gibt für vieles schon Konzepte, die man sich angucken kann. Eigentlich ist es nicht so kompliziert."
Für Anne Meier-Credner vom Verein Spenderkinder e.V. ist vor allem wünschenswert, "dass sich die Wunscheltern und die weiteren genetischen Elternteile psychosozial beraten lassen, bevor sie sich für diese komplexe Form der Familiengründung entscheiden." Denn die bringe lebenslange Herausforderungen für alle Beteiligten mit sich.