Bärbel, mein Spirit Animal!: Der Golden Bachelor zeigt: wir brauchen mehr Frauen über 60 im TV
In Deutschland läuft die erste Staffel vom "Golden Bachelor" und zeigt uns, dass wir viel zu wenig Frauen ab 60 im Fernsehen sehen. Meine Güte, tut das gut!
In Deutschland läuft die erste Staffel vom "Golden Bachelor" und zeigt uns, dass wir viel zu wenig Frauen ab 60 im Fernsehen sehen. Meine Güte, tut das gut!
Der Himmel strahlt, die Sonne scheint, man ist unter sich. Ein idealer Moment also, um den Pool der Villa auszutesten. Solch einen Luxus genießt man zuhause in Deutschland schließlich auch nicht alle Tage. Also geht Bärbel schwimmen. Was einigen ihrer Mitkandidatinnen sauer aufstößt, denn: Bärbel schwimmt oben ohne. Oh weh.
Kurz zur Einordnung: wir befinden uns in Folge vier der ersten deutschen Staffel des "Golden Bachelors". Die Idee ist das gleiche wie unvergoldet: ein Junggeselle datet sich durch eine Villa voller Frauen. Nur dass ersterer diesmal der 73-jährige Franz und seine Kandidatinnen in seinem Alter sind. Naja, zumindest 60 aufwärts.
Eine dieser Damen, Bärbel, 73, springt also ohne Oberteil in den Pool. Und eine andere zeigt sich erzürnt, denn in "so einem" Format wolle sie nicht teilnehmen. Dann fallen noch Wörter wie Niveau, Kinder und Trash-TV.
Dabei ist das "trashigste" an der Sendung bislang einzig diese Lästerei. Und gerade Bärbel trägt mit ihren Aussagen dazu bei, dass auch eine nackte Brust das Niveau der Sendung nicht senken kann. "Ich mache ja nichts Außergewöhnliches, ich bin eine Frau!", erwidert sie auf die Kritik und beendet damit nebenbei die sommerlange Oben-ohne-im-Freibad-ja-nein-Gesellschaftsdiskussion.
Bedürfnisorientiertes Bachelor-TV
Diese Szene ist nur eine von vielen, die mir das Gefühl geben: Reality-TV hat wirklich mehr Frauen über 60 gebraucht. Die bringen endlich mal ein wenig Realität in die Butze. Alles wirkt so viel … normaler.
Da sind die Damen schon mal müde, wenn sie erst mitten in der Nacht zur Rosenübergabe fahren. Ich behaupte: das geht ihren jüngeren Pendants beim Bachelor nicht anders, nur wird nicht darüber gesprochen. In der Golden Villa hingegen schon, es werden Bedürfnisse kommuniziert, wenn sie auftauchen, von einem simplen "ich habe Hunger" über "ich bin müde" bis hin zu einem ehrlichen "ich bin einsam und möchte nicht mehr alleine sein", bekommt man hier alles zu hören. Was wiederum die Bedürfnisse meines geschundenen Trash-TV-Herzen befriedigt, das sich schon immer gefragt hat; wann essen die eigentlich? Wie zur Hölle halten die das durch? Und wie können die alle immer permanent in Feierlaune sein? Stellt sich raus: können sie nicht und sind sie nicht. In keinem Alter. Endlich sagt's mal eine.
Gleichzeitig treffen beim Golden Bachelor Frauen aufeinander, die sich auch wirklich etwas zu erzählen haben. Während bei Formaten wie "Temptation Island" schon Gemeinsamkeiten wie schlafen oder essen für Jubelschreie sorgen, teilen Kandidatinnen hier ganz andere Erfahrungen: Verluste etwa. Da ist Susanne, die vor einigen Jahren ganz plötzlich ihren Mann verlor. Ute, die das gleiche Schicksal wie Franz teilt und betrogen wurde. Und Sylvia, deren letzter Partner mitten in der Verliebtheitsphase an Krebs verstarb.
Die Staffel wird dadurch keine traurige, aber sie wird authentischer. Es wird gelacht, aber eben auch geweint, nichts verschwiegen oder verdrängt: die Frauen, die am Golden Bachelor teilnehmen, stellen sich ihrer Geschichte. Und übernehmen Verantwortung für sie. Wenn ihre Grenze erreicht ist, gehen sie. Noch so eine Lehre, die hier ganz selbstverständlich vermittelt wird.
Um noch einmal zurück zur Anfangsszene zu kommen: der Oben-ohne-Eklat zeigt natürlich auch, dass Lebenserfahrung nicht vor Lästereien schützt, sehr wohl aber einen anderen Umgang damit eröffnet. In der Villa kommt es durchaus vor, dass eine Frau über eine andere reden will – dann aber auch mal ein "klär das doch bitte auf dem direkten Wege" erwidert bekommt. So lassen die Damen die Produktion samt sorgfältig erprobter Zickenkrieg-Storylines elegant auflaufen. Die braucht es auch gar nicht: Das Format tragen die Kandidatinnen schon alleine. Und nehmen den Verlauf – wie ihr Leben – selbst in die Hand. Mach dir die Bachelor-Welt, wie sie dir gefällt.
Und Bärbel? Die beschließt, sich nicht sexualisieren zu lassen. Und schwimmt weiter so, wie es ihr gefällt. Ein wenig Trotz hat noch keinem Alter geschadet – so hört man vor dem Platschen des Wassers noch ihre leise Stimme: "Ich hatte heute tatsächlich vor, mal einen Badeanzug rauszuholen. Aber jetzt mache ich es nicht!"