High-Place-Phänomen: Das bedeutet es, wenn du öfter solche Gedanken hast
Hast du schon mal eine Brücke gesehen und dir vorgestellt, wie es wäre, herunter zu springen? Forschende haben herausgefunden, wie es zu solchen Gedanken kommt und was es mit dem sogenannten "High-Place-Phänomen" auf sich hat.
Hast du schon mal eine Brücke gesehen und dir vorgestellt, wie es wäre, herunter zu springen? Forschende haben herausgefunden, wie es zu solchen Gedanken kommt und was es mit dem sogenannten "High-Place-Phänomen" auf sich hat.
Kürzlich habe ich mit einem Freund eine Fahrradtour unternommen, bei dem wir auf halber Strecke eine Autobahnbrücke überqueren mussten. Weder war diese unfassbar lang noch unfassbar hoch, dennoch lösen Höhen bei mir schon immer ein mulmiges Gefühl aus. Obwohl ich wackeliger auf den Beinen werde, kann ich dem Drang nicht widerstehen herunterzuschauen und mir vorzustellen, wie es wäre zu springen. So auch dieses Mal. Ich erschrecke mich dann jedes Mal über den Gedanken, kann aber auch nichts dagegen tun, dass er zumindest für ein paar Sekunden durch meinen Kopf schnellt.
Wie ich nun herausgefunden habe, bin ich mit diesen Impulsen nicht allein. Eine Freundin erzählte mir neulich, dass sie sich auf der Autobahn öfter vorstelle, wie es wäre, die Tür zu öffnen. Eine andere fügte hinzu, dass sie manchmal darüber nachdenke, was passieren würde, wenn sie das Lenkrad herumreißen würde. Man könnte fast meinen, dass es sich um suizidale Tendenzen handele, aber keine von uns hat jemals vorgehabt, diese Gedanken wirklich in die Tat umzusetzen.
Das High-Place-Phänomen
Laut Forschenden kommen solche unkontrollierbaren Gedankenblitze gar nicht so selten vor, sie haben sogar einen Namen, nämlich "High-Place-Phänomen" ("Höhen-Platz-Phänomen") oder "Call of Void" ("Ruf der Leere"). Das Phänomen wurde von der Psychologin Jennifer Hames und ihrem Team am "Notre Dame Psychological Services Center" im Rahmen einer Studie untersucht, bei der die Forschenden rund 430 Personen folgende Fragen stellten:
- Wenn Sie ein hohes Gebäude oder eine Brücke sehen, haben Sie dann jemals darüber nachgedacht, wie es wäre, von dort herunterzuspringen? Wie oft ist das in Ihrem Leben passiert?
- Wenn Sie am Rande eines hohen Gebäudes stehen oder über eine Brücke gehen, haben Sie schon einmal den Impuls verspürt zu springen? Wie oft ist das in Ihrem Leben passiert?
- Wenn Sie sich in einem hohen Gebäude befinden, haben Sie sich einmal vorgestellt, aus einem Fenster zu springen? Wie oft ist das in Ihrem Leben passiert?
Tatsächlich hat mehr als die Hälfte der Proband:innen die Fragen mit Ja beantwortet und damit bestätigt, mindestens einmal solche oder ähnliche Gedanken gehabt oder Impulse verspürt zu haben. Zudem prüfte das Team, ob die Befragten eine Vorgeschichte mit Angstempfindlichkeit, Stimmungsschwankungen, Depressionen oder gar Selbstmordgedanken aufweisen, um einschätzen zu können, ob ein Zusammenhang mit High-Place-Gedanken besteht.
Unser Gehirn sendet Warnsignale
Nach Datenauswertung bestätigten die Wissenschaftler:innen, dass es keine nachweisbare Korrelation zwischen Selbstmordgedanken und den beschriebenen Impulsen gäbe. Dafür fanden sie heraus, dass ängstliche Personen scheinbar öfter High-Place-Gedanken haben als Personen ohne ausgeprägtes Angstempfinden.
Zum Schluss war sich das Team um Jennifer Hames sicher: Menschen mit High-Place-Gedanken sind nicht zwangsläufig selbstmordgefährdet, vielmehr kann das Erleben des "High-Place-Phänomens" ihre Sensibilität für innere Reize widerspiegeln und sogar ihren Lebenswillen bestärken. Die Impulse fungieren dann eher wie ein Warnzeichen, das unser Gehirn an uns sendet. Es erinnert uns daran, uns in Sicherheit zu bringen und Gefahren zu umgehen. Also so gesehen liefert es uns eine einfache Handlungsanweisung auf die Gedanken: Halte das Lenkrad gerade oder entferne dich vom Abgrund. Ein sinnvoller Mechanismus!