Chatbot aus China: KI-Experte: „In drei Wochen redet niemand mehr von Deepseek“
Deepseek hat die KI-Szene und vor allem die Börse in Aufruhr versetzt. KI-Experte Fabian Westerheide hält das für übertrieben – warnt aber vor Einfluss aus China
Deepseek hat die KI-Szene und vor allem die Börse in Aufruhr versetzt. KI-Experte Fabian Westerheide hält das für übertrieben – warnt aber vor Einfluss aus China
Es war die Nachricht, die die Wallstreet schockte: Das KI-Modell des chinesischen Startups Deepseek sei in etwa so gut wie die der amerikanischen Konkurrenten um ChatGPT und Grok, aber deutlich günstiger entwickelt worden. Die Aussicht, dass Künstliche Intelligenz möglicherweise mit weniger Ressourcen als gedacht auskommt, ließ Tech-Aktien zu Wochenbeginn einstürzen – allen voran Nvidia. Der Kurs des Unternehmens fiel an einem Tag um 17 Prozent, fast 600 Mrd. Dollar Börsenwert waren weg. Noch nie hatte ein US-Unternehmen so viel Wert an einem Tag verloren.
Das Versprechen von Deepseek: Das Sprachmodell liefert ähnlich robuste Ergebnisse wie zum Beispiel ChatGPT. Allerdings arbeitet das Open-Source-Modell laut Firmenangaben mit billigeren Chips und braucht weniger Rechenleistung. US-Präsident Donald Trump nannte die Nachricht einen „Weckruf“, es sei gut, wenn kostengünstigere und schnellere KI-Anwendungen möglich seien. Doch ist es tatsächlich die ausgerufene Revolution für die KI-Branche oder nur ein kleiner Pivot?
„Gute“ Künstliche Intelligenz auch in China
Geht es nach Fabian Westerheide, ist die Panik übertrieben. „Nach meiner Einschätzung ist da viel Lärm um nichts. Deepseek ist aus der Nische in den Mainstream rübergeschwappt“, sagt Westerheide zu Capital. Der Unternehmer und Investor arbeitet seit Jahren im Bereich Künstlicher Intelligenz und veranstaltet jährlich die „Rise of AI“-Konferenz. „Die größte Erkenntnis ist, dass in China auch gute Arbeit in der Entwicklung von Sprachmodellen geleistet wird.“
Nach Angaben von Deepseek hat das Training des Modells rund 5,6 Mio. Dollar gekostet – was deutlich weniger wäre als die dutzenden Milliarden Dollar, die andere Modelle bisher brauchten. Dazu habe es viel weniger Chips gebraucht als die amerikanischen Konkurrenten – und diese Chips seien sogar noch veraltet gewesen. Überprüfen lassen sich die Angaben allerdings kaum.
Aus technologischer Sicht sei das Modell durchaus interessant, sagt Westerheide. „In der Architektur von Deepseek gibt es ein paar neue Ansätze, aber es ist keine Revolution. Ich halte Deepseek für überschätzt.“ Neue Modelle, die effizienter seien als alles frühere Modelle, habe es schon immer gegeben. „Die Technik hat uns nicht überrascht, erstaunlich sind eher die Auswirkungen auf die Börse. Das zeigt uns, wie nervös die KI-Blase ist und dass sie nicht weiß, wie sie reagieren soll.“
Zweifel an der Darstellung von Deepseek
Die Panik an den Aktienmärkten kommt vor allem daher, weil Anleger befürchten, dass Hochleistungschips zukünftig weniger nachgefragt werden als gedacht. Das betrifft vor allem Nvidia, dessen Chips bislang als erste Wahl für KI galten. Für einen Abgesang auf Nvidia hält es Westerheide aber zu früh: Auch Deepseek sei mit Nvidia-Chips trainiert worden – obwohl deren Export nach China von den USA stark eingeschränkt ist. „Deshalb dürften die Zahlen, die jetzt kursieren, nicht ganz ehrlich sein, weil viele der benutzten Chips illegal in China sind“, sagt Westerheide. Auch in den USA zweifeln einige an der offiziellen Darstellung von Deepseek. In der Branche wird bereits seit einiger Zeit spekuliert, das Unternehmen habe mehr Chips zur Verfügung, als es offiziell zugibt. „Der Bedarf an Nvidia-Chips wird weiter ungebrochen groß bleiben“, sagt daher Fabian Westerheide.22-01-2025 Stargate
In Deutschland hat die Nachricht vom Fortschritt in China auch für positive Reaktionen gesorgt. „Bei KI haben Deutschland und Europa den Wettlauf noch lange nicht verloren, nur müssen wir endlich das Warmmachen beenden und mit dem Rennen beginnen", sagte etwa Susanne Dehmel vom Digitalverband Bitkom der Nachrichtenagentur Reuters. Auch Digitalminister Volker Wissing sprach im Interview mit dem Deutschlandfunk von einer guten Perspektive für die deutsche Wirtschaft. Im Bereich Forschung und Entwicklung sei Deutschland „besonders gut im Rennen“.
Hinzu kommen Sicherheitsbedenken
Dort sieht auch Westerheide zunächst die Anwendungsfelder für das Deepseek-Modell. „Für Forscher sind die Neuerungen interessant, aber einen großflächigen Einsatz erwarte ich nicht“, sagt der Unternehmer. „Bisher nutzen ja kaum deutsche Unternehmen wirklich Künstliche Intelligenz oder haben die technische Infrastruktur, um solche Modelle einzubauen. Da ändert auch Deepseek nichts daran, dass der deutsche Mittelstand nicht digital ist.“
Hinzu kommen Sicherheitsbedenken. Die Server von Deepseek lagern in China und bisher scheint das Modell auf Parteilinie zur chinesischen Regierung zu liegen. Fragt man etwa nach der Unterdrückung der Uiguren oder dem Massaker am Tiananmen-Platz im Jahr 1989, werden Informationen unterschlagen. „Die chinesische Einflussnahme durch das Modell sollte man nicht unterschätzen – Deepseek wird auch zensiert“, sagt Westerheide. Daher solle das Modell auf keinen Fall in kritische Infrastruktur eingebaut werden. „Es geht ja nicht nur um den Technologiewettbewerb, sondern um Geopolitik. Da ist Künstliche Intelligenz eine Figur mehr auf dem Schachbrett zwischen China und den USA.“
Dass Deepseek nun die KI-Branche revolutioniert, glaubt Westerheide daher nicht. „In zwei, drei Wochen kommt das nächste große Modell und dann redet niemand mehr von Deepseek.“