Nach außen hin scheint alles in Ordnung: Der Job läuft rund, das Lächeln sitzt perfekt und das Abarbeiten der To-dos gelingt reibungslos. Doch innerlich sieht es anders aus: Es brodelt immer mehr. So kann ein stiller Burnout beginnen. Allerdings bemerken die Betroffenen und auch ihr Umfeld oft nichts davon.
Wie du die Symptome bei dir und anderen erkennen kannst und was hilft, um aus der Überlastungsspirale auszubrechen.
Was ist ein stiller Burnout? Die Definition
„Stillen Burnout kann man als eine verdeckte Form des Burnouts verstehen, bei der Betroffene äußerlich weiter funktionieren, während sie innerlich stark erschöpft und überfordert sind“, erklärt Psychologin Anja Hirth.
Im Gegensatz zum klassischen Burnout sei die stille Variante viel subtiler und dadurch schwieriger zu erkennen, so Hirth. Erste Anzeichen blieben oft unbemerkt, weil die Anzeichen nicht zwingend auf Arbeitsüberlastung hinwiesen oder Betroffene sie als „normalen Stress“ abtäten. Und genau darin besteht laut Hirth die Gefahr: Die Symptome verstärken und verfestigen sich im Alltag.
Umso wichtiger ist es, hinter die Fassade zu blicken und auf die folgenden sechs Warnzeichen zu achten – sowohl bei sich selbst als auch bei anderen.
Erste Symptome eines stillen Burnouts
Folgende sechs Warnzeichen können Symptome eines schleichenden Burnouts sein:
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1. Ungeduld
Ob privat oder beruflich: Sobald etwas ein wenig länger dauert, reißt der Geduldsfaden. Betroffene haben keine Geduld mehr, das quengelnde Kind zu trösten oder dem neuen Mitarbeiter erneut zu erklären, wie die Kaffeemaschine im Büro funktioniert.
2. Gereiztheit
Zur Ungeduld gesellt sich oft eine unkontrollierbare Gereiztheit. Betroffene können in der einen Sekunde noch gut gelaunt sein und in der nächsten ausrasten, weil etwas nicht nach Plan läuft.
3. Zynismus
Spitzzüngige Bemerkungen können ein Mittel sein, um Druck abzubauen. Sind Menschen extrem zynisch, kann das ein Warnzeichen für einen stillen Burnout sein.
4. Geräuschempfindlichkeit
Wer unter einem stillen Burnout leidet, fühlt sich schnell durch Geräusche in seiner Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt. Alltägliche akustische Reize werden plötzlich zum großen Problem. Schon das leise Rauschen des Computers kann dann dafür sorgen, dass die betroffene Person nicht mehr in der Lage ist, sich zu konzentrieren.
5. Sozialer Rückzug
Menschen, die eigentlich gesellig sind und viel Kraft aus Treffen mit anderen schöpfen, sich nun aber zurückziehen, sollten hellhörig werden. Wer es im Gegensatz zu früher nur noch als Belastung empfindet, sich mit Freunden zu verabreden und stattdessen lieber allein vor dem Fernseher sitzt, könnte sich bereits in der Anfangsphase eines Burnouts befinden.
6. Verdrängung
Oft flüchten sich Betroffene zusätzlich privat in Aktionismus, um nicht über ihre Probleme nachzudenken. Statt sich den Stress bewusst zu machen und mit Entspannungsmethoden gegenzusteuern, spielen sie die ganze Nacht Computerspiele oder treiben exzessiv Sport.
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Vom stillen Burnout zum Nervenzusammenbruch: Die Symptome
Werden diese ersten Symptome eines Burnouts verdrängt, folgen meist Konzentrations- und Schlafstörungen. Die Betroffenen können sich einerseits nicht mehr auf die Arbeit konzentrieren und finden andererseits keine Ruhe, weil die Gedanken auch nachts um die Arbeit kreisen. In diesem Stadium besteht die Gefahr, dass der stille Burnout sich zu einem Nervenzusammenbruch entwickelt (und der Weg in den klassischen Burnout oder in die Depression geebnet ist).
Was hilft bei einem stillen Burnout?
Um eine Verschlimmerung der Symptome zu verhindern und aus der Überlastungsspirale herauszukommen, müssen Betroffene von der Verdrängung zur Akzeptanz gelangen. Dazu sei es notwendig, die eigene Erschöpfung wahr- und ernst zu nehmen, sagt Anja Hirth. Das gelinge durch regelmäßige Zeiten der Selbstreflexion, in denen man sich fragt, wie es einem geht. Treten Gefühle der Überforderung auf, sei der erste Schritt, diese zuzulassen. Es könne auch hilfreich sein, mit einer nahestehenden Person darüber zu sprechen.
„Wichtig ist, sich klarzumachen, dass Akzeptanz keine Schwäche ist, sondern der erste Schritt zur Veränderung“, betont die Psychologin.
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Behandlung bei stillem Burnout: Was kann man selbst tun?
Wer erste Anzeichen früh erkennt, kann mit folgenden Methoden zur Selbst-Behandlung das Abschalten lernen und dadurch einem schleichenden Burnout entgegenwirken:
Bewegung: Grundsätzlich ist Bewegung eine der besten Methoden zur Stressbewältigung. Egal ob Ausdauersport, Krafttraining oder Yoga – jede Form der Bewegung kann helfen, wenn es zu den jeweiligen Bedürfnissen passt. Wichtig: Sport sollte keinen Stress erzeugen und nicht exzessiv betrieben werden.
Draußen sein: Ob Gartenarbeit, ein Spaziergang oder ein Sonnenbad – draußen zu sein, versorgt den Körper mit Sauerstoff und Vitamin D, welches die Produktion des Glückshormons Serotonin ankurbelt. Wichtig: Das Handy am besten zu Hause lassen. Das schafft zusätzlich eine Pause von der permanenten Erreichbarkeit.
Atemübungen: Es muss keine stundenlange Meditation sein. Mit dieser einfachen Atemübung kann jeder zur Ruhe kommen: Setz dich bequem hin, atme tief ein und zähle währenddessen langsam bis fünf. Halte den Atem kurz an. Anschließend atme wieder aus und zähle dabei ebenfalls bis fünf. Wiederhole diese Abfolge einige Minuten und du wirst merken, dass du mehr und mehr zur Ruhe kommst.
Pflanzliche Mittel zur Beruhigung: Es gibt mehrere natürliche Heilmittel, die beruhigend wirken sollen. So können beispielsweise Präparate mit Baldrian, Hopfen oder Lavendel helfen, innere Unruhe zu lindern.
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Medikamente bei stillem Burnout
Laut der Techniker Krankenkasse gibt es noch keine ausreichenden Studien über wirksame Medikamente gegen Formen des Burnouts. Es gibt jedoch Arzneimittel, die Symptome lindern können. Beispielsweise gibt es Antidepressiva, die beruhigend wirken und so bei Schlafstörungen, einem möglichen Anzeichen vom stillen Burnout, helfen können. Erster Ansprechpartner für eine medikamentöse Behandlung ist der Hausarzt. Eine Behandlung mit Medikamenten sollte immer unter ärztlicher Aufsicht erfolgen.
Therapie bei stillem Burnout: Ab wann?
„Therapeutische Maßnahmen werden notwendig, wenn die Symptome anhaltend sind, den Alltag belasten und die Lebensqualität spürbar beeinträchtigen“, erklärt Anja Hirth.
Diese Warnzeichen deuten darauf hin:
chronische Müdigkeit
anhaltende Konzentrationsstörungen
Gefühl von innerer Leere
körperliche Symptome wie Kopf- oder Rückenschmerzen
Verlust der Freude an Tätigkeiten, die einem früher wichtig waren
Gefühl der Fremdbestimmung
Was lernen Betroffene in der Therapie?
„In einer Therapie lernen Betroffene vor allem, ihre Belastungsgrenzen zu erkennen und anzunehmen“, sagt Anja Hirth. Ein Schwerpunkt liege darauf, Stressoren zu identifizieren und geeignete Strategien für den Umgang mit ihnen zu entwickeln. Dazu gehöre das Erlernen von Techniken zur Selbstfürsorge und Entspannungsmethoden. Ein weiterer Schwerpunkt der Therapie sei es, ungesunde Denkmuster – wie Perfektionismus oder überhöhte Ansprüche an sich selbst – zu hinterfragen und schrittweise zu verändern, so Hirth.
Was droht ohne Behandlung des stillen Burnouts?
„Ohne Behandlung kann sich der stille Burnout zu einem klassischen Burnout entwickeln oder in eine ernsthafte Depression übergehen“, sagt die Psychologin. Hinzu komme, dass sich chronische Überlastung auch auf den Körper auswirke.
Mögliche körperliche Folgen sind:
Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Magen-Darm-Probleme,
geschwächtes Immunsystem
Um es nicht so weit kommen zu lassen, ist es umso wichtiger, den schleichenden Burnout nicht zu ignorieren. Wer die Warnzeichen erkennt und rechtzeitig gegensteuert, kann die Überlastungsspirale durchbrechen und zu einem gesunden Alltag zurückfinden. Anhaltende Symptome sind ein Signal, sich schnellstmöglich therapeutische Unterstützung zu holen.
Sie machen sich Sorgen, haben Ängste oder stehen unter großem Druck? Dann kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge. Unter der kostenlosen Hotline 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222 erhalten Sie anonym und rund um die Uhr Hilfe.
Quelle:
Was ist das Burnout-Syndrom, in: Die Techniker, Abrufdatum 27.1.2025
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