Schaeffler: „Wir wissen, was zu tun ist, handeln aber nicht“

„Seit Jahren wissen wir, was zu tun ist. Jetzt läuft uns die Zeit davon“, kritisiert Michael Söding von Schaeffler die deutsche Autoindustrie. Der Beitrag Schaeffler: „Wir wissen, was zu tun ist, handeln aber nicht“ erschien zuerst auf Elektroauto-News.net.

Jan 21, 2025 - 10:29
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Schaeffler: „Wir wissen, was zu tun ist, handeln aber nicht“

Michael Söding, Leiter des Geschäftsbereichs Automotive Aftermarket beim Zulieferer Schaeffler, hat für den Gateway to Automotive für die Automechanika Frankfurt die aktuelle Lage der Automobilindustrie kritisch beleuchtet. Seiner Einschätzung nach ist die Stimmung in der Branche pessimistischer, als es die tatsächlichen Herausforderungen rechtfertigen. Während in Deutschland viele strukturelle Probleme – wie der schleppende Bürokratieabbau, der stockende Ausbau der Stromtrassen und steigende regulatorische Anforderungen – die Diskussion dominieren, sieht Söding die eigentliche Schwierigkeit in der mangelnden Handlungsbereitschaft. „Seit Jahren wissen wir, was zu tun ist. Jetzt läuft uns die Zeit davon“, erklärt er.

Besonders kritisch äußert er sich zur Situation der deutschen Automobilhersteller, die zunehmend unter Druck geraten. Der Wettbewerb mit innovativen Konkurrenten aus den USA und China hat sich in den vergangenen Jahren massiv verschärft. Laut Söding unterschätzten viele deutsche Hersteller lange die Entwicklung in China. „Noch vor zehn Jahren haben wir gesagt, dass sie uns nur kopieren. Heute verfügen die Chinesen über attraktivere Produkte, die nicht nur auf den heimischen Markt, sondern auch auf europäische Kunden zugeschnitten sind.“

Am Beispiel von Volkswagen macht er deutlich, wie strategische Fehler den Anschluss gefährden können: „Der Golf heißt nicht mehr Golf, sondern ID.3 oder ID.4. Eine Markenikone wurde quasi in die Tonne getreten. Dazu kommen technologische Schwierigkeiten wie schlecht funktionierende Infotainmentsysteme und unbeleuchtete Bedienelemente.“

Während BMW mit seiner Strategie, Elektroantriebe in bestehende Fahrzeugplattformen zu integrieren, flexibler agiert, und Mercedes bei E-Autos eher überambitioniert sei, sieht Söding die deutschen Hersteller insgesamt gefordert, sich klarer zu positionieren. Die Branche müsse akzeptieren, dass ihre Marktbedingungen sich grundlegend verändert haben.

Die Zuliefererindustrie leidet unter aktuellen Marktentwicklungen

Auch die Zulieferindustrie steht vor immensen Herausforderungen. Durch den Rückgang der Fahrzeugproduktion in Europa seit 2019 und den parallelen Aufbau von Kapazitäten für neue Technologien kämpfen viele Unternehmen mit finanziellen Engpässen. Söding beschreibt die Lage nüchtern: „Mit den alten Technologien verdient man Geld, mit den neuen verbrennt man es. Für Zulieferer, die auf Verbrennungsmotoren spezialisiert sind, wird die Lage besonders schwierig, wenn sie nicht rechtzeitig neue Geschäftsfelder erschließen.“ Gleichzeitig verweist er auf die wachsende Konkurrenz durch chinesische Hersteller, die oft über eine größere Fertigungstiefe verfügen und Schlüsselkomponenten wie Batterien selbst herstellen.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die mangelnde strategische Ausrichtung in Europa. Während Länder wie Südkorea gezielt wenige Industriezweige fördern und durch alle politischen Ebenen unterstützen, verzettele sich Europa häufig in einer Vielzahl von Ansätzen. Söding sieht hierin ein grundlegendes Problem: „Wir können doch nicht alles gleichzeitig subventionieren und nicht für alles die nötige Infrastruktur bereitstellen. Das klingt nach eklatanter Entscheidungsschwäche.“

Trotz aller Herausforderungen bleibt Söding optimistisch, was die Innovationskraft des Standorts Deutschland betrifft. Zwar mangele es hierzulande häufig an der Fähigkeit, Technologien in den Massenmarkt zu bringen, doch die Kompetenz der deutschen Zulieferindustrie und deren internationale Ausrichtung seien nach wie vor beeindruckend. „Deutschland war und ist hoch innovativ. Vieles von dem, was in Apple und Tesla verbaut ist, wird in Deutschland entwickelt und hergestellt.“ Dennoch müsse man akzeptieren, dass Deutschland nicht mehr der uneingeschränkte Marktführer sei und klarere Prioritäten setzen müsse, um konkurrenzfähig zu bleiben. „Wir müssen in einer europäischen Dimension denken und uns fragen, wofür wir genau antreten.“

Für Söding liegt die Zukunft der Mobilität nicht allein in der Technologie, sondern auch in deren Akzeptanz durch die Kunden. Autonomes Fahren werde laut ihm schneller Realität, als viele denken. „Die Menschen nutzen heute schon jede Erleichterung beim Autofahren. Diese graduellen Fortschritte bereiten den Weg für autonomes Fahren, ohne dass wir es richtig merken.“ Auch die Nachfrage nach neuen Mobilitätslösungen wie ÖPNV oder Sharing-Angeboten wächst. Dennoch bleibt das eigene Auto ein fester Bestandteil des Alltags, was insbesondere im Aftermarket durch steigende Reparaturanfragen sichtbar wird.

Söding betont abschließend, dass die deutsche Automobilindustrie früh verstanden habe, international zu denken. Dies gelte es zu bewahren und auszubauen, um die finanziellen und technologischen Herausforderungen der kommenden Jahre zu meistern. Gleichzeitig fordert er von Politik und Industrie eine klare strategische Ausrichtung, um die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Europa langfristig zu sichern.

Quelle: Gateway to Automechanika – „Deutschland ist hoch innovativ“

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