People Pleaser: Bist du harmoniesüchtig?
Harmonie ist wichtig, aber zu welchem Preis? Erfahre, ob dein Harmoniebedürfnis dich zum People Pleaser macht und wie du ein gesundes Maß findest.
Harmonie ist wichtig, aber zu welchem Preis? Erfahre, ob dein Harmoniebedürfnis dich zum People Pleaser macht und wie du ein gesundes Maß findest.
Wir alle haben den Wunsch nach Anerkennung und danach, von den Mitmenschen gemocht zu werden. Aber manchmal schlägt der Drang nach Harmonie um ins People Pleasing. Das ist nicht nur für den People Pleaser selbst anstrengend, sondern kann auch für die, denen er es unbedingt recht machen will, lästig sein.
Was ist ein People Pleaser?
Ein People Pleaser ist eine Person, die die Bedürfnisse anderer über ihre eigenen stellt. Hierbei handelt es sich nicht um eine Krankheit, sondern um ein Verhalten, was bewusst verändert werden kann. People Pleaser werden von anderen oft als angenehm, hilfsbereit und freundlich wahrgenommen. Aus gutem Grund: Dadurch, dass sie es allen immer recht machen wollen, sorgen sie gekonnt für Harmonie. Doch zu welchem Preis?
Welche negativen Auswirkungen hat People Pleasing?
Ein besorgter und fürsorglicher Mensch zu sein, ist nicht falsch und sogar ein wichtiger Teil wertschätzender Beziehungen. Es kann jedoch zum Problem werden, wenn wir versuchen, Anerkennung zu bekommen, um damit unser schwaches Selbstwertgefühl zu stärken. Wenn wir dauerhaft das Glück anderer über unser eigenes emotionales Wohlbefinden stellen, müssen wir mit den folgenden Konsequenzen rechnen:
- Wut und Frustration
- Stress, erhöhtes Risiko für Burn-out, Schlafstörungen, Magen-Darm-Beschwerden
- dauerhaft schlechtes Gewissen
- niedriges Selbstwertgefühl
- abnehmende Entschlossenheit und Willenskraft
- Mangel an Authentizität
- schwächere Beziehungen
- erhöhtes Depressionsrisiko
Woran erkennt man, dass man zum People Pleasing neigt?
In ihrem Buch "People Pleasing: Raus aus der Harmoniefalle und weg mit dem schlechten Gewissen" hat Dr. Ulrike Bossmann einige Anzeichen aufgeschlüsselt, die darauf hinweisen können, dass man zum People Pleasing neigt. Falls du den Großteil der folgenden Punkte mit Ja beantworten kannst, muss das nicht zwangsweise bedeuten, dass du ein People Pleaser bist. Es kann nur darauf hinweisen, dass du in bestimmten Situationen harmoniebedürftig bist. Zusätzlich ist auch immer zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß wir bestimmte Verhaltensmuster an den Tag legen und inwiefern sie unseren eigenen Alltag beeinflussen oder uns emotional beeinträchtigen.
- Ich kann nicht gut nein sagen.
- Ich höre dem Kummer anderer zu, auch wenn ich keine Zeit habe.
- Ich vermeide Konflikte und Auseinandersetzungen.
- Ich vergleiche mich oft.
- Ich fühle mich für die Gefühle anderer verantwortlich.
- Ich lasse mich leicht beeinflussen und umstimmen.
- Ich gebe schnell nach.
- Ich spreche eigene Wünsche selten an.
- Ich entschuldige mich oft, auch wenn es nicht notwendig wäre.
- Ich gebe vor, mit anderen einer Meinung zu sein, auch wenn ich es nicht bin.
- Ich suche den Fehler immer zuerst bei mir.
- Ich bitte andere selten um Hilfe.
- Ich rechtfertige mein Handeln und meine Entscheidungen.
- Ich äußere kaum Kritik.
- Ich lächle und scherze, auch wenn mir nicht danach ist.
- Ich treffe ungern eigenständig Entscheidungen.
Was sind die Gründe für People Pleasing?
Niemand entscheidet sich aktiv dazu, ein People Pleaser zu werden. Vielmehr handelt es sich um Verhaltensmuster, die sich einschleichen, wenn wir bestimmte Erfahrungen in unserer Kindheit oder mit anderen Menschen gemacht haben. People Pleasing hat aber nicht nur mit dysfunktionalen Beziehungen oder toxischen Arbeitsplätzen zu tun. Auch Rollenbilder sind ein wichtiger Punkt, wenn es um Harmoniesucht geht. Noch immer geistert in vielen Köpfen ein längst überholtes Frauenbild herum: Sie sollen immer lächeln, für Harmonie sorgen, sich gut um andere kümmern und bitte nicht ihre Meinung sagen. Diese Muster sind tief in uns verankert. Zwar lässt sich nicht beweisen, dass alle Frauen People Pleaser sind oder dass kein Mann diese Tendenzen aufweist – jedoch lässt sich ablesen, dass People Pleasing vornehmlich ein weibliches Phänomen ist. Welche Gründe für People Pleasing gibt es außerdem?
- Geringes Selbstwertgefühl: Manchmal wollen wir anderen gefallen, weil wir unsere eigenen Wünsche und Bedürfnisse nicht wertschätzen. Somit brauchen wir Bestätigung von außen und hoffen, dass wir die Anerkennung, die wir uns selbst nicht geben können, von anderen bekommen, wenn wir etwas Gutes für sie tun.
- Unsicherheit: In vielen Fällen versuchen People Pleaser, anderen zu gefallen, weil sie befürchten, dass andere sie nicht mögen, wenn sie nicht alles tun, um sie glücklich zu machen.
- Frühere Erfahrungen: Schmerzhafte, schwierige oder traumatische Erfahrungen können ebenfalls eine Rolle spielen. Menschen, die zum Beispiel Missbrauch erlebt haben, versuchen häufig, anderen zu gefallen, um zu vermeiden, dass sie erneut ein Opfer von missbräuchlichem Verhalten werden.
Wie kann ich mein Harmoniebedürfnis ablegen?
- Grenzen setzen: Sage klar und deutlich, was du bereit bist, auf dich zu nehmen. Wenn du das Gefühl hast, dass jemand zu viel von dir verlangt, dann lass die Person wissen, dass du nicht in der Lage bist, zu helfen. In anderen Fällen kannst du auch kommunizieren, dass du nur zu bestimmten Zeiten erreichbar bist.
- Beginne mit kleinen Veränderungen: Sicherlich wirst du nicht von heute auf morgen deine Harmoniesucht ablegen können. Das musst du auch nicht. Im Grunde genommen, musst du dich nichtmal ausnahmslos davon verabschieden. Ziel ist es, ein Stadium zu erreichen, in dem du dich gut fühlst und sich dein harmoniebedürftiges Handeln nicht gegen dich selbst richtet.
- Prioritäten setzen: Überlege dir, wo deine Prioritäten liegen. Wenn du dich darin übst, dich abzugrenzen und auf Dinge zu verzichten, die du eigentlich nicht tun willst, wirst du feststellen, wie viel mehr Zeit du für Dinge hast, die dir wirklich etwas bedeuten.
- Nimm dir Zeit: Gehörst du zu den Personen, die schnell "Ja" sagen und es hinterher bereuen? Nimm dir beim nächsten Mal Zeit, auf eine Bitte einzugehen und denke in Ruhe über deine Entscheidung nach, bevor du sie kommunizierst.
- Verzichte auf Ausreden: Scheue dich nicht, direkt "Nein" zu sagen. Sobald du anfängst zu erklären, warum du etwas nicht tun kannst, gibst du anderen die Möglichkeit, deine Ausrede zu durchlöchern oder sogar deine Bitte zu ändern.
- Hilf, wenn du helfen willst: Du musst nicht gänzlich darauf verzichten, freundlich und hilfsbereit zu sein. Ganz im Gegenteil. Ohne dies funktionieren wertschätzende Beziehungen nicht. Der Schlüssel liegt lediglich darin, deine Motivation und Absicht zu hinterfragen. Tu nichts ausschließlich aus deiner Angst vor Ablehnung oder weil du dir Anerkennung wünscht.
Fazit
Halten wir fest: People Pleaser stellen das Wohlbefinden anderer stets über ihr eigenes. Ihr Ziel ist es, zu gefallen. Dabei verlieren sie nach und nach den Kontakt zu sich selbst. Sie tun einfach, was andere von ihnen verlangen. People Pleasing abzulegen bedeutet nicht, dich selbst über andere zu stellen oder unfreundlich zu sein. In erster Linie geht es darum, dir deiner eigenen Gefühle, Werte, Bedürfnisse und Annahmen wieder bewusst zu werden und dieses Wissen zu nutzen, wenn es darum geht, mit anderen in Kontakt zu treten. Es geht darum, weiterhin Feinfühligkeit, Freundlichkeit und Respekt gegenüber anderen an den Tag zu legen, aber gleichzeitig auch aushalten zu können, dass du mit deinen eigenen Entscheidungen hin und wieder zur Enttäuschung für andere wirst.
Verwendete Quellen:
- Dr. Ulrike Bossmann: "People Pleasing: Raus aus der Harmoniefalle und weg mit dem schlechten Gewissen", Beltz Verlag, 2023
- Scott Barry Kaufman et al.: "Healthy Selfishness and Pathological Altruism: Measuring Two Paradoxical Forms of Selfishness", frontiersin.org, 2020
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