Zu alt fürs E-Bike! – Zurück zur Essenz
Es ist schon kurios: Vor ein paar Jahren war ich noch voller Begeisterung auf meinem neuen E-MTB unterwegs. Elektrisch unterstützt, über alle Berge, hoch und runter, schneller und weiter. Mit 60 Jahren wieder so biken wie damals mit 30 – das fühlte sich fast wie eine zweite Jugend an. Jetzt, fünf Jahre später und kurz nach meinem Eintritt in den Ruhestand, fällt mir auf, dass mir in diesen Jahren etwas Entscheidendes gefehlt hat.
Es ist schon kurios: Vor ein paar Jahren war ich noch voller Begeisterung auf meinem neuen E-MTB unterwegs. Elektrisch unterstützt, über alle Berge, hoch und runter, schneller und weiter. Mit 60 Jahren wieder so biken wie damals mit 30 – das fühlte sich fast wie eine zweite Jugend an. Jetzt, fünf Jahre später und kurz nach meinem Eintritt in den Ruhestand, fällt mir auf, dass mir in diesen Jahren etwas Entscheidendes gefehlt hat.
Gardasee, Winterberg und Provence auf dem Mountainbike, Mallorca auf dem Rennrad. Meine kostbare Freizeit tauschte ich früher gerne gegen das stundenlange, analoge Erklimmen von Bergen ein. Kein Motor, kein Akku, kein Smartphone – nur ich, manchmal ein paar Gleichgesinnte, die Natur und das gleichmäßige Schnaufen, das immer lauter wurde, je höher es hinaufging. An heißen Sommertagen tropfte der Schweiß im Takt der Pedalumdrehung.
Es ging nie um Bestzeiten, sondern um die beste Zeit.
Oben angekommen, genossen wir unsere Trophäe: das Gefühl, den Berg aus eigener Kraft erklommen zu haben, den Ausblick und die Ruhe. Nicht selten legte ich mich erschöpft auf den Schotter, die Hand auf die vom Schweiß brennenden Augen. Ein paar Züge aus der Trinkblase, in der das isotonische Getränk längst zu lauwarmem Tee geworden war, und dazu ein Käsebrot als untypischer Energieriegel. Et voilà: meine damalige Definition von Glück.
Doch dann kam das E-Mountainbike und mit ihm eine neue Verheißung, der sich kaum jemand entziehen konnte. Es fühlte sich wie der natürliche Lauf der Dinge an: Die Technik entwickelte sich, Motoren und Akkus wurden leistungsfähiger und leiser, und nach und nach tauschten immer mehr Freunde ihre analogen Bikes gegen die Zukunft ein. Warum eigentlich nicht? Warum nicht die Anstiege müheloser bewältigen, schneller, weiter und höher fahren? Man wird schließlich nicht jünger und das Ziehen in den Muskeln nach jeder analogen Tour fällte schließlich die Entscheidung. Die Möglichkeit, wieder wie früher Höhenmeter zu sammeln, ohne sich zu überlasten, ohne das langweilige Treten, war einfach zu verlockend.
Diese anfängliche Faszination, die Leichtigkeit, mit der ich wieder wie damals Kilometer sammelte, war berauschend. Der Berg wurde zum Spielplatz, die Herausforderung zu einem Rätsel, das sich per Knopfdruck lösen ließ. Doch mit jeder Tour, die müheloser wurde, entfernte ich mich unmerklich von etwas, das ich erst später als Verlust erkannte. Es war, als ob mir das pure Erlebnis des Mountainbikens langsam aus den Händen glitt. Die Fahrt durch Wälder und Landschaften war zwar noch immer beeindruckend, das Gefühl der Geschwindigkeit beflügelnd – doch die tiefe Verbindung zur Natur, die einst so intensive Auszeit, schien sich durch das höher, schneller und weiter allmählich aufzulösen. Die meditative Ruhe, die ich früher auf langen Anstiegen fand, war ersetzt worden durch das Surren des Motors, das mir nicht nur den Anstieg, sondern auch ein Stück weit die Stille und Ruhe nahm.
Heute bin ich 65, doch so fühle ich mich nicht. Trotzdem hat sich meine Sicht auf das Biken verändert. Was früher der Drang nach Geschwindigkeit und Effizienz war, ist heute ein tiefes Bedürfnis nach Langsamkeit und Intensität. So kam es, dass ich mir letztes Jahr wieder ein analoges Bike zulegte – zunächst zögerlich, als ob es ein Rückschritt wäre. Doch in Wahrheit war es ein Schritt nach vorn, zurück zu mir selbst. Das erste Mal wieder ohne Motor erinnerte mich daran, was mich an diesem Sport so faszinierte: der langsame Weg nach oben, das Knirschen des Schotters, das gleichmäßige Atmen im stillen Wald, die schweren Beine und das wohlverdiente Stück Kuchen danach, das mit jedem gefahrenen Kilometer besser schmeckte.
Genau diese Anstrengung hält mich jung – nicht, um etwas zu beweisen, sondern weil sie mich paradoxerweise schneller als ein E-Bike in den Moment bringt, ins Hier und Jetzt.
Ich habe gemerkt, dass die echte Erfüllung in der Langsamkeit liegt, nicht in der Geschwindigkeit.
Das E-Bike verteufle ich nicht. Es bleibt ein wichtiger Teil meiner Garage und hat seinen Platz, besonders auf längeren Touren oder wenn ich mit meinem Sohn Julian – dem Art Director des ENDURO und E-MOUNTAINBIKE Magazins – oder Freunden unterwegs bin, die Tempo machen wollen. Aber wenn ich alleine fahre, ist es das analoge Bike, das mich wirklich erfüllt. Es zwingt mich, langsamer zu werden, auf meinen Körper zu hören und jeden Moment bewusster zu erleben.
Es ist keine Frage des Alters, sondern der Einstellung. Das E-Bike hat mir eine Zeit lang das Gefühl zurückgegeben, die Berge zu bezwingen und wieder wie früher unterwegs zu sein. Mountainbiken ist für mich nicht einfach nur ein Sport, sondern eine Möglichkeit, mich zu erden und im Moment zu sein #metime. Dabei zählt nicht, wie schnell oder weit man kommt, sondern das Gefühl, sich auf das Wesentliche zu besinnen. Am Ende geht es um die richtige Balance – mal mit, mal ohne Motor. Hauptsache man vergisst nicht, was einen ursprünglich am Mountainbiken begeistert hat. Also: rausgehen – Fahrrad fahren!
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