Schleichende AfD-Übernahme in Sachsen – und ihr schaut weg?

Als im Herbst Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg waren, richteten die Medien ihre Augen auf die ostdeutschen Bundesländer. Es war mal wieder spannend: Wie weit nach rechts würden sie diesmal rücken? Vielleicht springt für jedes Bundesland eine eigene empörte Kolumne und im Feuilleton ein tiefsinniger Text über das Wesen der Ostdeutschen heraus? Klar, die… Weiterlesen Schleichende AfD-Übernahme in Sachsen – und ihr schaut weg? The post Schleichende AfD-Übernahme in Sachsen – und ihr schaut weg? appeared first on Volksverpetzer.

Jan 17, 2025 - 17:13
Schleichende AfD-Übernahme in Sachsen – und ihr schaut weg?

Als im Herbst Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg waren, richteten die Medien ihre Augen auf die ostdeutschen Bundesländer. Es war mal wieder spannend: Wie weit nach rechts würden sie diesmal rücken? Vielleicht springt für jedes Bundesland eine eigene empörte Kolumne und im Feuilleton ein tiefsinniger Text über das Wesen der Ostdeutschen heraus? Klar, die AfD finden wir doof und das mit der Sahra Wagenknecht ist uns auch gar nicht geheuer. Aber mal wirklich hinschauen? Das ist irgendwie auch zu anstrengend.

Und ja, ich verstehe, dass man „den Osten“ aus einer Außenperspektive gern wie dieses eine Schubfach mit Briefen vom Finanzamt behandelt: Aller paar Monate mal vorsichtig rein lugen, verwirrt den Kopf schütteln und dann schnell wieder zu machen – bis man sich im nächsten Jahr wundert, dass alles noch schlimmer geworden ist. 

Außerdem verstehe ich auch, dass es simpler ist, sich in den zwei typischen Genres aufzuhalten: Der-Ist-doch-gar-nicht-so-schlimm“-Artikel aus einem hippen Café in der Leipziger Südvorstadt und die „Hier-ist-das-ganze-Dorf-rechtsextrem“-Reportage aus einer gottverlassenen Ecke in Thüringen oder Meck-Pomm. Doch dabei wird ein bisschen übersehen, was gerade ganz konkret in der Politik abgeht. Da sind auch ohne düstere Musik im Hintergrund erschreckende Szenarien dabei. Und vor allem gibt es da auch konkret Dinge, die man kritisieren und verändern könnte.

Sachsen: CDU wählt AfD-Extremisten in die Ausschüsse

In Sachsen hatte die CDU bei der Landtagswahl im September mehr als 30 % der Stimmen bekommen. Rund die Hälfte davon hatte laut Umfragen die CDU gewählt, damit die AfD nicht zu viel Einfluss bekommt. Und wie läuft das so mit dem „weniger Einfluss“? Ziemlich schlecht.

Am Mittwoch (15.01.) wurden im neu gewählten Landtag die Posten in den Ausschüssen und vor allem der Parlamentarischen Kontrollkommission besetzt. Letztere ist deswegen brisant, weil sie die Regierungsaufsicht über den Verfassungsschutz überwacht. Und in genau diese Kommission wurde nun, neben Vertretern der CDU, SPD, Grünen und des BSW zum ersten Mal in der Geschichte des Freistaates ein Extremist gewählt. Denn obwohl die AfD in Sachsen seit Dezember 2023 als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wird, haben CDU und BSW dafür gesorgt, dass ihr Kandidat im Gremium sitzt.

Übrigens: Der Rechtsextreme, von dem wir reden, Carsten Hütter, tauchte bereits mehrfach im 2019 geleakten Gutachten des Verfassungsschutzes zur AfD auf. Schon damals hatte er die Legitimation der Kanzlerin angezweifelt und rassistische Hetze über Geflüchtete verbreitet. Dass er sich seitdem gemäßigt haben soll, ist schwer vorstellbar. Es ist also folgerichtig, dass der Verfassungsschutz Hütter und seinen Landesverband als gesichert rechtsextremistischen Fall behandelt – und absurd, dass CDU und BSW all das nicht als Hinderungsgrund sehen, ihn in die Kontrollkommission zu wählen. Dort kann nun der Extremist die Arbeit des Verfassungsschutzes beobachten – verkehrte Welt. 

CDU arbeitet gegen den Wählerwillen

Die Gründe für die Wahl sind schleierhaft. Klar, die CDU schiebt, wie so oft, angeblichen Wählerwillen vor. Das ist besonders zynisch, hatten doch wie gesagt die Hälfte ihrer Wähler:innen die Partei gewählt, um mehr Einfluss der AfD zu verhindern. Die CDU handelt also genau gegen den Wählerwillen. Und die Landtagsverwaltung bestätigte sogar, dass das Gremium ohnehin auch ohne AfD-Extremisten arbeitsfähig gewesen wäre. Mit BSW und Grünen waren zwei Oppositionsparteien vertreten, wie gefordert. 

Diesen Irrsinn, dass einer der vom Verfassungsschutz beobachteten Extremisten in die Kommission gewählt wird, die die parlamentarische Kontrolle der Aufsicht über den Verfassungsschutz übernimmt, muss die CDU erklären. Und auch die SPD, die in Person ihres Vize-Chefs der Bundestagsfraktion Wiese die Wahl kritisierte, stützt und unterstützt ja gleichzeitig die Politik der CDU, mit der sie in Dresden gemeinsam regiert. 

Nun kann man Parteien natürlich nicht vorschreiben, wie sie abzustimmen haben – das wäre tatsächlich undemokratisch. Doch es ist die Aufgabe der Medien, dieses Verhalten der Partei kritisch zu hinterfragen. Parteichef Friedrich Merz sollte sich erklären müssen, warum sein sächsischer Landesverband einer gesichert extremistischen Partei Posten und Ressourcen zuschiebt. Das wäre doch mal eine wirklich interessante Story. Wenn wir es nicht fordern, wird niemand Verantwortung für diesen Skandal übernehmen.

CDU Sachsen holt weitere Extremisten in Gremien

Und wenn wir schon einmal dabei sind: Die CDU Sachsen hat die rechtsextreme AfD noch in weitere Gremien gewählt. So soll der AfDler Alexander Wiesner den Vorsitz des Justizausschusses bekommen. Wiesner hatte zuletzt zwei Mitglieder der Terrorgruppe „Sächsische Separatisten“ beschäftigt. Zur Erinnerung: Das waren die Terroristen, die mit Waffengewalt Teile Sachsens erobern und „ethnisch säubern“ wollten.

Außerdem soll mit Stimmen von CDU und BSW auch der Innenausschuss nun von einem Extremisten geleitet werden. Der frühere Polizist Lars Kuppi soll den Posten einnehmen. Auch er ist nicht nur deswegen eine brisante Personalie: Er wurde laut WELT-Recherchen 2018 wegen Beleidigung verurteilt, zudem soll er den neuen Partner seiner Ex niedergeschlagen haben. Daraufhin wurde ihm seine Dienstwaffe entzogen.

Also: Die CDU wählt einen Extremisten in die Kommission, die die Aufsicht über den Verfassungsschutz kontrolliert, sie gibt einem ehemaligen Arbeitgeber von enttarnten, mutmaßlichen Terroristen den Vorsitz des Justizausschusses und einem möglicherweise gewalttätigen Polizisten, der keine Dienstwaffe tragen darf, den Chefposten im Innenausschuss. In den kommenden Wochen wird es viele Talk-Formate geben –  samt Möglichkeit, Friedrich Merz darauf anzusprechen. Wir bleiben gespannt, ob die Medien hier mal kritisch nachfragen, warum seine Partei in Sachsen mit der hier gesichert rechtsextremistischen AfD Koalition light spielt.

Fazit

In den letzten Jahren geben sich die meisten überregionalen Medien und auch bundesweite Öffentlich-Rechtliche Kanäle wie ARD und ZDF spürbar Mühe, auf die Probleme in Ostdeutschland einzugehen. Doch eine wirklich konstruktiv kritische Berichterstattung muss auch das aktuelle Problem, welches wir in Dresden beobachten, benennen: Die Übergänge zwischen Rechtsterrorismus sowie Rechtsextremen und Konservativen im Parlament werden immer fließender. 

Am Ende wird es nicht reichen, mit der Kamera durch die AfD-Hochburgen zu fahren und am Ende ratlos in einem dramatischen Schlussstatement zu verkünden, dass es hier ja wirklich schlimm sei. Es ist auch Aufgabe der Medien, die Demokratie zu verteidigen. Sich hinter einer vorgeschobenen Neutralitätspflicht zu verstecken, ist da einfach nicht ausreichend. Presse- und Meinungsfreiheit gibt es nur in der Demokratie. Es ist daher auch im Eigeninteresse der Medien, die Demokratie gegen ihre Feinde zu verteidigen. Denn es stimmt: Man sollte nicht gleiches ohne Grund ungleich behandeln. Doch im Falle der AfD machen die Medien den entgegengesetzten Fehler: Sie behandeln Ungleiches (demokratische und extremistische Parteien) ohne Grund gleich. Auch das ist ein Verstoß gegen die journalistische Sorgfaltspflicht.

Artikelbild: Robert Michael/dpa

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