Wahlkampf 2025: Der Kandidat und sein Schatten [Gesundheits-Check]
Was für eine Woche! Innerhalb von drei Tagen verwandelt sich der gelegentliche Fettnäpfchenbegeher Friedrich Merz vom unumstrittenen Anwärter auf das Kanzleramt in einen politischen Sanierungsfall. Mit seinen migrationspolitischen Aktionen hat er die AfD als parlamentarischen Mitspieler eingeführt, er hat gezeigt, dass die CDU-Fraktion seinen Kurs nicht geschlossen mitträgt, die seines Wunschpartners FDP auch nicht, der…
Was für eine Woche! Innerhalb von drei Tagen verwandelt sich der gelegentliche Fettnäpfchenbegeher Friedrich Merz vom unumstrittenen Anwärter auf das Kanzleramt in einen politischen Sanierungsfall.
Mit seinen migrationspolitischen Aktionen hat er die AfD als parlamentarischen Mitspieler eingeführt, er hat gezeigt, dass die CDU-Fraktion seinen Kurs nicht geschlossen mitträgt, die seines Wunschpartners FDP auch nicht, der hat seine Vorgängerin zu einem bisher nie dagewesenen Schritt provoziert – Kritik am Kandidaten mitten im Wahlkampf, er hat migrationspolitisch nichts erreicht, er hat spätere Koalitionsverhandlungen erschwert, er hat seine Lieblingsrolle als entschiedener Macher gegen die des uneinsichtigen Sturkopfes eingetauscht, der unnötig Risiken eingeht und jedem, der nicht aus Schreck oder Nibelungentreue den Kopf in den Sand steckt, vor Augen geführt, dass er strategisch unfähig ist.
„Er wird nie Kanzler werden. Er ist total unfähig. Ihm fehlen die charakterlichen, die geistigen und politischen Voraussetzungen – alles!“
Nein, das hat Markus Söder nicht über Merz gesagt. Söder stellt sich hinter Merz. Aber man darf davon ausgehen, dass Söder nicht den Kopf in den Sand steckt, er sieht das Desaster. Und Nibelungentreue gehört gewiss nicht zum Mindset Söders, auch nicht in der Wahrnehmung der CDU.
In der ZEIT schrieb Alan Posener, dass Merz nach diesem Fiasko eigentlich zurücktreten müsste, aber dazu sei es im Wahlkampf zu spät.
Im SPIEGEL kommt Stefan Kuzmany zu einem ähnlichen Befund:
„Was Friedrich Merz da getan hat, ist (…) ein faszinierend vollständiges politisches Desaster. Ungläubig reibt man sich die Augen: Wie kann sich einer, der doch gefühlt schon Kanzler war, solche Fehler erlauben? (…) Einen Bundeskanzler (…), der es schafft, in wenigen Tagen solche Wagenladungen Mist anzuhäufen, kann niemand wollen, dem an einer klugen Regierung gelegen ist.“
Wie gesagt, die Union muss ihn jetzt wollen, Merz kann nicht mehr den Biden machen und das ging bekanntlich ja auch nicht gut aus. Merz handelt im Moment zwar nach Lehrbuch: Keinen Fehler einräumen, behaupten, die Bevölkerung stehe hinter ihm und jetzt seien doch immerhin die Fronten klar, neue Themen einbringen und auf die Vergesslichkeit der Wähler:innen setzen. Vermutlich reicht das, um ihn noch ins Kanzleramt zu bringen. Aber der Erwartungshorizont ist jetzt negativ gesetzt: Jeder wird darauf warten, wo er als Nächstes stolpert, ohne Not Risiken eingeht und scheitert.
Alan Posener meint daher, die Ära Merz würde wohl kurz werden. Söder muss nur Geduld haben, Merz wird wieder stolpern, dann kommt vielleicht sein Moment doch noch einmal, 2029, oder sogar früher.