Wahl-O-Mat: Die Manipulationsmaschine
Die Fragen zu Aufrüstung, Krieg und Frieden sind dort unterbewertet. Zum Thema Corona-Aufarbeitung wird gar nicht erst gefragt. Redaktionell zugespitzte Partei-Aussagen führen teils in die Irre. Bei zahlreichen Bürgern wird die „falsche“ Partei als angebliche Präferenz angezeigt. Fazit: Der „Wahl-O-Mat“ ist ein fragwürdiges Instrument zur Meinungsmache. Ein Kommentar von Tobias Riegel Weiterlesen
![Wahl-O-Mat: Die Manipulationsmaschine](https://www.nachdenkseiten.de/wp-content/uploads/2025/02/240207-Wahlomat-titel.png)
Die Fragen zu Aufrüstung, Krieg und Frieden sind dort unterbewertet. Zum Thema Corona-Aufarbeitung wird gar nicht erst gefragt. Redaktionell zugespitzte Partei-Aussagen führen teils in die Irre. Bei zahlreichen Bürgern wird die „falsche“ Partei als angebliche Präferenz angezeigt. Fazit: Der „Wahl-O-Mat“ ist ein fragwürdiges Instrument zur Meinungsmache. Ein Kommentar von Tobias Riegel
Seit Donnerstag ist wieder der sogenannte Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung freigeschaltet. Der Online-Service wird aktuell in vielen Medien bekannt gemacht, beispielsweise die „Tagesschau“ schreibt in diesem Artikel zum Prinzip, dass dort die Bürger bei mehr als 30 Aussagen zu politischen Themen entweder zustimmen, ablehnen oder auf “neutral” klicken sollen – ein Algorithmus würde dann berechnen, wie sehr die Ansichten mit denen der Parteien übereinstimmen. Der Bericht spricht auch ein starkes Manko des Online-Dienstes an:
„Der Nachteil: Die Aussagen, die von einer Redaktion auf Basis der Wahlprogramme formuliert und oft zugespitzt werden, können das Ergebnis verzerren.“
Diese Praxis wird unter anderem deutlich bei der Frage zum Umgang mit der Schuldenbremse: Das Thema wird im Wahl-O-Mat auf die Frage einer Grundgesetzänderung zugespitzt – und da zum Beispiel im BSW-Statement nicht explizit gefordert wird, dass das Grundgesetz geändert werden soll, wird dem BSW hier die Position „neutral“ zugeschrieben.
Quelle: Screenshot Wahl-O-Mat
Dabei lehnt das BSW die Schuldenbremse in der derzeitigen Form eindeutig ab. Wahl-O-Mat-Nutzer, die die Schuldenbremse ebenfalls ablehnen, dürften aber auf die Frage, ob die Schuldenbremse im Grundgesetz beibehalten werden soll auf „stimme nicht zu“ klicken – und so bei der Auswertung in diesem Punkt keine Übereinstimmung mit dem BSW erzielen.
Auf allgemeinerer Ebene kann man noch anfügen, dass die Zusammenstellung der 38 Fragen einen willkürlichen Eindruck hinterlässt, wenn man es freundlich ausgedrückten möchte – man könnte den Charakter auch als „irreführend” bezeichnen.
Corona, Krieg und Frieden?
Noch gravierender finde ich die zu schwache Gewichtung von Fragen zu Krieg und Aufrüstung: Nur zwei der 38 Fragen widmen sich diesem Thema (Unterstützung der Ukraine und Waffenlieferungen nach Israel). Zwar kann man Fragen jeweils doppelt gewichten, aber auch dadurch kann man dem Thema nicht die Relevanz verleihen, die angemessen wäre. Und das, obwohl das ZDF im Politbarometer noch vor einer Woche das Thema „Frieden/Sicherheit“ als das wichtigste für die Bürger identifiziert hatte:
Quelle: Screenshot ZDF
Eine weitere das Ergebnis verzerrende Verfehlung des Wahl-O-Mats ist, dass es keine einzige Frage zur Corona-Aufarbeitung gibt. Dass dieses Thema aber für viele Bürger ein wichtiges Wahlmotiv ist und dass die Ignoranz gegenüber dem Willen nach Aufarbeitung nicht nur ein Akt der Missachtung, sondern auch ein politisch-taktischer Fehler ist, das habe ich kürzlich im Artikel Wahlmotiv: Corona beschrieben.
Unter anderem die hier aufgezählten Defizite sorgen dafür, dass zum Beispiel in meinem Fall beim Wahl-O-Mat auch bei zahlreichen Versuchen nicht die Partei „empfohlen“ wird, die sich am meisten mit meinen Ansichten deckt. Etwas „genauere“ Ergebnisse waren dagegen beim Dienst „Voteswiper“ zu erzielen.
Der angeblich neutrale Wahl-O-Mat ist darum meiner Meinung nach ein fragwürdiges Werkzeug der Meinungsmache.
Titelbild: Screenshot Wahl-O-Mat