Künstliche Intelligenz: Deepseek: Warum das „chinesische ChatGPT“ die Märkte schockt
Der Erfolg eines KI-Modells des chinesischen Start-ups Deepseek versetzt die Aktienmärkte in Aufruhr. Ist die Technologieführerschaft der USA in Gefahr?
Der Erfolg eines KI-Modells des chinesischen Start-ups Deepseek versetzt die Aktienmärkte in Aufruhr. Ist die Technologieführerschaft der USA in Gefahr?
Die Titel wichtiger US-Technologiekonzerne in den Bereichen Chips und Künstliche Intelligenz sind zu Wochenbeginn stark unter Druck geraten. Die Facebook-Mutter Meta beispielsweise notierte zeitweise rund drei Prozent im Minus, Microsoft (-3,7 Prozent) und Alphabet (-2,3 Prozent) litten ebenfalls. Nvidia verlor gar knapp acht Prozent an Wert. Der US-Chipriese büßte somit 300 Milliarden Dollar an Börsenwert ein.
Hintergrund ist die Einführung eines neuen KI-Modells durch das chinesische Startup Deepseek, das sich in Tests gegen etablierte Tools wie ChatGPT überraschend gut behaupten soll. Die Besonderheit: Es ist bisher kostenlos und Open Source – der Code kann also von jedem eingesehen werden. In den App Stores von Android und iOS zählt Deepseek derzeit zu den Anwendungen mit den häufigsten Downloads in den Kategorien Effizienz und Produktivität.
In der Branche zeigt man sich verunsichert, wie gut es um die Technologieführerschaft der USA tatsächlich bestellt ist. „Wenn es China über Deepseek schafft, sich nachhaltig im Markt der Künstlichen Intelligenz zu positionieren, ist die US-Dominanz in Gefahr“, sagte Thomas Altmann vom Vermögensverwalter QC Partners. „Und diese Angst vor dem Fall des quasi US-Monopols rüttelt die Börsen zum heutigen Wochenstart durch. Sollte sich hier tatsächlich neue Konkurrenz aus Asien etablieren, müssen die hohen Bewertungen am US-Markt noch stärker hinterfragt werden.“
Wie gut ist das KI-Modell von Deepseek?
Das chinesische Start-up hatte sein Sprachmodell namens „R1“ erstmals vor einer Woche veröffentlicht. In ersten Tests soll es sich als leistungsstark erwiesen haben. Laut Angaben des Online-Portals Chatbot Arena schneidet Deepseek aktuell besser ab als das Konkurrenzmodell Llama vom US-Konzern Meta. Auf dem Portal treten verschiedene Sprachmodelle gegeneinander an, indem Nutzer sie anonym und nach dem Zufallsprinzip testen. Zu den Disziplinen zählen Mathematikaufgaben, Programmiertätigkeiten und Allgemeinwissen. Aus der Qualität der Antworten wird ein Score ermittelt.
Medienberichten zufolge zeigen sich Analysten auch von den geringen Entwicklungskosten des Deepseek-Angebots überrascht. Aus einer internen Dokumentation des KI-Start-ups geht hervor, dass zum Trainieren des Modells nur 5,6 Mio. Dollar ausgegeben wurden. Zum Vergleich: Das Modell GPT-4o von des ChatGPT-Entwicklers OpenAI soll knapp 80 Mio. Dollar gekostet haben. Da Deepseek den Quellcode seines KI-Modells zudem offen legt, lässt es sich theoretisch von jedem weiterentwickeln – was weitere technologische Durchbrüche erleichtern könnte.
Es gibt allerdings auch relativierende Einordnungen: Experten von Bernstein Research, darunter Stacy Rasgon, halten die Panik, die vor allem auf Twitter kursiert, für übertrieben. Die KI-Modelle von Deepseek seien zwar leistungsstark, aber OpenAI sei sicher nicht für wenige Millionen Dollar „einfach nachgebaut“ worden. Ein Grund für die vermeintlich geringen Kosten sei laut Rasgon, dass Deepseek kleinere Modelle aus größeren extrahiere. Die niedrigen Nutzungsgebühren könnten zudem nicht von Dauer sein. In den Preisinformationen spricht Deepseek selbst von „vorübergehenden Rabatten“.
Wer steckt hinter Deepseek?
Das Unternehmen aus Hangzhou und in der chinesischen Provinz Zhejiang wurde 2023 von Liang Wenfeng gegründet. Deepseek agiert als „KI-Labor“ und befindet sich vollständig in der Hand des Hedgefonds High-Flyer Capital Management, der ebenfalls auf Wenfeng zurückgeht. Der 40-Jährige soll ein abgeschlossenes Studium in Elektro- und Informationstechnik haben.
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Von der chinesischen Regierung wird Wenfeng bereits hofiert. Am vergangenen Dienstag wurde der Deepseek-Gründer gemeinsam mit anderen Branchenvertretern von Regierungschef Li Qiang empfangen, wie das Handelsblatt berichtete. Ihre Expertise soll in den sogenannten Arbeitsbericht der Regierung – die politische Agenda für das kommende Jahr – eingebracht werden.
Wie reagieren die USA auf den Vorstoß?
Bislang haben sich nur wenige wichtige Vertreter der US-Tech-Branche zu den Entwicklungen rundum Deepseek geäußert. Eine Ausnahme ist Yann LeCun, leitender KI-Wissenschaftler von Meta: „Für diejenigen, die die Leistung von DeepSeek sehen und denken: ,China überholt die USA im Bereich KI.' Das ist die falsche Sichtweise“, schrieb LuCun bei Linkedin. Richtig sei, dass quelloffene Sprachmodelle die geschlossenen Angebote „überholen“. Deepseek habe zudem von offener Forschung profitiert, an der auch Meta beteiligt sei.
Das Unternehmen, zu dem unter anderem Instagram und Facebook gehören, zeigte sich dennoch nervös. Firmenchef Mark Zuckerberg kündigte am vergangenen Freitag an, allein diesem Jahr über 60 Mrd. Dollar in die KI-Entwicklung zu investieren.
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Offen bleibt, wie die US-Regierung um Präsident Donald Trump auf die Entwicklungen im chinesischen KI-Markt reagiert. Erst in der vergangenen Woche hatte Trump Investitionen in Höhe von 500 Mrd. Dollar in KI-Projekte angekündigt – worunter allerdings auch Projekte fallen, die sich bereits in der Umsetzung befinden. Es sollen unter anderem Rechenzentren errichtet werden, die für den Betrieb von KI-Modellen wichtig sind. Ein Szenario ist, dass Trump nun doch verstärkt Zollmaßnahmen gegen China in den Blick nimmt. Alternativ sind auch weitere Subventionen für KI-Unternehmen in den USA denkbar.
Mit Material von Reuters