Gesundheitsdaten: Ärztliche Schweigepflicht nur noch gegen Geld? [Gesundheits-Check]

Bekanntlich werden Daten als Gold des 21. Jahrhunderts gehandelt. Das gilt auch und insbesondere für die Gesundheitsdaten. Im Gesundheitssystem geht es um einen Mega-Markt: 2022 beliefen sich die Gesundheitsausgaben in Deutschland auf fast 500 Mrd. Euro. 10 Jahre zuvor waren es noch 300 Mrd. Euro, 20 Jahre früher 230 Mrd. Euro. In den letzten 5…

Feb 3, 2025 - 16:06
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Gesundheitsdaten: Ärztliche Schweigepflicht nur noch gegen Geld? [Gesundheits-Check]

Bekanntlich werden Daten als Gold des 21. Jahrhunderts gehandelt. Das gilt auch und insbesondere für die Gesundheitsdaten. Im Gesundheitssystem geht es um einen Mega-Markt: 2022 beliefen sich die Gesundheitsausgaben in Deutschland auf fast 500 Mrd. Euro. 10 Jahre zuvor waren es noch 300 Mrd. Euro, 20 Jahre früher 230 Mrd. Euro. In den letzten 5 Jahren betrug der Zuwachs ca. 20 Mrd. Euro jährlich, ein attraktiver Wachstumsmarkt also.

Dass dieser Markt Daten-Begehrlichkeiten in der Wirtschaft weckt, ist kein Wunder. Ganz explizit hat Karl Lauterbach das Gesundheitsdatennutzungsgesetz damit begründet, dass er der Pharmaindustrie unter die Arme greifen will, für sie den größten Gesundheitsdatenmarkt der Welt schaffen will.

Voraussetzung dafür ist, dass die Menschen ihre Gesundheitsdaten, ihr Datengold, hergeben. Konkret: die elektronische Patientenakte (ePA) nutzen und den Datenzugriff nicht blockieren. Ihre Daten gleich zu enteignen, traut man sich noch nicht, dazu ist das Thema zu sensibel. Lange hat man damit argumentiert, vom Zugang Dritter zu den Daten würden vor allem die Menschen selbst profitieren, die Forschung könne Krankheiten besser untersuchen und die Industrie bessere Behandlungsverfahren entwickeln. Das ist zweifellos richtig, aber eben nur die halbe Wahrheit.

Viele Gesundheitsdaten, mit denen man heute schon erhebliche Verbesserungen bei der Gesundheit in die Wege leiten könnte, werden zudem kaum oder gar nicht beachtet, weil sie nicht in handelbare Produkte verwandelt werden können, oder im Gegenteil, die Vermarktung solcher Produkte sogar behindern. 10 Jahre Lebenserwartung verlieren Raucher:innen beispielsweise durch den Tabakkonsum. Die Datenlage ist robust, aber politisch kaum handlungswirksam. Man will die Menschen ja nicht unnötig bevormunden, heißt es.

Da haben manche bei den individuellen Gesundheitsdaten weniger Skrupel. Damit der Datenstrom sprudelt, überlegt Friedrich Merz, dass Patient:innen, die ihre Daten hergeben, 10 % niedrigere Krankenkassenbeiträge zahlen sollen. Klingt gut? Die anderen zahlen dann, there is no free lunch, durch steigende Beiträge eben noch etwas mehr und die Vertraulichkeit des Arztbesuchs würde gewissermaßen kostenpflichtig. Anders als bei Habecks Vorschlag, Kapitalerträge beitragspflichtig zu machen, gibt es zu Merzens Vorschlag keine Aufregung. Schon die Opt-out-Regelung bei der ePA ist heikel, es wird darüber nicht wirklich gut aufgeklärt, auch das ging in den Medien seinerzeit unter, von einzelnen warnenden Stimmen abgesehen.

Die Datenschätze sollen für die Forschung und die Industrie zwar stets nur pseudonymisiert oder gar anonymisiert bereitgestellt werden, und immer wieder wird auf die hohen Datenschutzstandards hingewiesen. Allerdings ist die Geschichte der gut geschützten Gesundheitsdaten von Anfang auch eine der Überlistung des Schutzes und mit der monetären Wertschätzung der Daten nimmt auch ihre Wertschätzung bei Hackern zu. Berichte über Cybersicherheitsvorfälle mit Gesundheitsdaten sind Legion, Verbraucherschützer warnen, ebenso wie die Kassenärztliche Bundesvereinigung. Davon abgesehen, gibt es auch aus medizinischer Sicht zuweilen Vorbehalte gegen das Einstellen von Daten in die ePA, erst kürzlich hatten beispielsweise die Kinderärzte auf kritische Fallkonstellationen hingewiesen. Das alles spricht natürlich nicht pauschal gegen die Nutzung der Daten in der Forschung, aber es spricht dagegen, nur nachlässig über die Risiken der ePA aufzuklären oder den Menschen diese hochsensiblen Daten gar abzupressen.

Merz will nichts abpressen. Er setzt auf Anreize, auf Nudging. Geld oder Daten. Ein Testballon vielleicht, wie die Öffentlichkeit reagiert. Es wird jetzt in der Migrationsdebatte untergehen, aber die Öffentlichkeit wird spätestens dann reagieren, wenn es wirklich so kommt. Jeder wird es im eigenen Geldbeutel merken, jeden Monat. Ob es dann zu spät ist?