Product Leadership für UXler:innen #ExperienceCampfire
In unserem ersten Experience Campfire des Jahres hatte ich das große Vergnügen, mit Sohrab Salimi zu sprechen, einem echten Pionier und Vordenker der […]
In unserem ersten Experience Campfire des Jahres hatte ich das große Vergnügen, mit Sohrab Salimi zu sprechen, einem echten Pionier und Vordenker der agilen Produktentwicklung. Als Gründer und CEO der Scrum Academy GmbH bringt Sohrab nicht nur seine langjährige Erfahrung als Certified Scrum Trainer und Agile Leadership Educator ein, sondern auch eine außergewöhnliche Perspektive aus der IT-Beratung und dem Medizinbereich. Heute unterstützt er große Unternehmen u.a. dabei ihr Gesamtorganisation produktzentrisch auszurichten.
Gemeinsam haben wir beleuchtet, wie sich die Arbeit von UX-Manager:innen und Design-Führungskräfte in produktzentrischen Organisationen verändern könnte.
Wie verändert sich die Produktentwicklung?
Die Geschwindigkeit, mit der Produkte entwickelt werden, hat sich enorm erhöht. Doch wie Sohrab betont, bedeutet „schneller“ nicht automatisch „besser“. Statt blind in Richtung eines Ziels zu rasen, müssen Teams lernen, ihre Annahmen systematisch zu validieren.
„Schnelligkeit ist nur sinnvoll, wenn wir sicherstellen, dass wir in die richtige Richtung gehen.“
Das Product Operating Model bietet hierfür eine gute konzeptionelle Grundlage. Sohrab beschrieb die 3 Ebenen auf denen Produktentwicklung stattfinden sollte, so:
Delivery: Die Fähigkeit, effizient Produkte auszuliefern. In vielen Unternehmen wird die agile Transformation genau hier begonnen, um technische Hindernisse zu überwinden und die Geschwindigkeit zu erhöhen.
Discovery: Das Verständnis darüber, was gebaut werden soll. Hier steht UX im Mittelpunkt, um Nutzerbedürfnisse zu erkennen, Annahmen zu validieren und den Problem-Solution-Fit zu finden.
Direction: Die strategische Ausrichtung: Welche Probleme wollen wir als Unternehmen lösen? Die Verantwortung für diese Entscheidungen liegt bei der Führungsebene, aber sie erfordert eine Synchronisation mit den Ebenen Delivery und Discovery.
Die drei Führungsrollen in produktzentrischen Organisationen
In produktzentrischen Organisationen bilden Product, Engineering und Design das sogenannte „Product-Trio“. Diese drei Führungsrollen arbeiten gemeinsam daran, die richtige Balance zwischen Nutzerbedürfnissen, technischer Machbarkeit und Geschäftszielen zu finden. Die Besonderheit an diesem Konzept ist, dass Design bzw. UX bereits ein integraler Bestandteil ist.
Die Verantwortung in einem produktzentrischen Ansatz ist geteilt. Das bedeutet, dass alle 3 Beteiligten gemeinsam für den Produkterfolg Verantwortung tragen. In Produktteams können aber nicht alle 3 Beteiligten die gleichen Entscheidungsbefugnisse haben, da das zu unauflösbaren Zielkonflikten führen könnte. Daher ist festgelegt, wer im Rahmen der geteilten Verantwortung bei welchen Themen das letzte Wort hat:
- Product Leads entscheiden, was gebaut wird, basierend auf Priorisierungen und strategischen Zielen.
- Design Leads übernehmen die Verantwortung für die User Experience und stellen sicher, dass Lösungen sowohl funktional als auch ästhetisch ansprechend sind.
- Engineering Leads entscheiden, wie etwas technisch umgesetzt wird, und tragen die Verantwortung für die Machbarkeit.
„Es gibt keine klaren Grenzen. Die Zusammenarbeit im Product-Trio erfordert Vertrauen und Respekt, um Konflikte konstruktiv zu lösen.“
Sohrab betonte, dass die meisten Unternehmen lernen müssen, sich von starren Entscheidungsstrukturen zu lösen. Statt auf individuelle Verantwortlichkeiten zu pochen, ist eine “shared ownership” der Schlüssel für schnelle Entscheidungen. Ein Beispiel: Wenn die Entscheidung darüber, ob ein bestimmtes Feature umgesetzt wird, im Graubereich zwischen Design und Product liegt, müssen die Beteiligten gemeinsam eine Lösung finden – ähnlich wie Eltern, die gemeinsam Entscheidungen für ihre Familie treffen.
„Selbst ein CEO kann nicht als Diktator agieren. Erfolgreiche Teams sind diejenigen, die gemeinsam Verantwortung übernehmen und Entscheidungen kollektiv tragen.“
Wie wachsen die Führungs-Trios am besten zusammen?
Ein effektives Product-Trio entsteht nicht über Nacht. Sie müssen sich finden und gut zusammenwachsen. Aus diesem Grund bleiben gute Product-Trios auch lange stabil.
Ein wirksames Product-Trio hat ein klares Mandat und kennt die Kriterien, an denen es den eigenen Erfolg festmacht. Es sorgt dafür, dass das Team über alle Fähigkeiten und Ressourcen verfügt, um das Mandat zu erfüllen. Darüber hinaus klären die 3 Beteiligten frühzeitig, wie sie zusammenarbeiten wollen, um das Mandat zu erfüllen. Hier helfen klare Working Agreements und regelmäßige Reflexionen.
Außerdem ist es hilfreich, wenn sich Product-Trios frühzeitig daran gewöhnen, dass sie alles was sie tun kontinuierlich überprüfen und kontinuierlich verbessern
„Der Schlüssel liegt darin, Teams nicht nur operativ auszurichten, sondern sie auch kontinuierlich zu verbessern.“
Was ist systematische Discovery?
Discovery ist mehr als ein Schlagwort – es ist ein strukturierter Ansatz, um Annahmen zu validieren und Risiken zu minimieren. Sohrab beschreibt sie als Kombination aus:
- Regelmäßigem Kundenaustausch
- In Inkrementen denken (Inspect & Adapt)
- Iterativer Validierung von Lösungen
- Standardisierten Metriken zur Entscheidungsfindung
UX-Manager:innen und Design-Führungskräfte können durch systematische Discovery nicht nur bessere Produkte entwickeln, sondern auch ihre Rolle innerhalb des Unternehmens stärken.
„Systematische Discovery spart Kosten, indem sie Unsicherheiten frühzeitig reduziert und Entscheidungen auf einer soliden Basis trifft.“
Empowerment und Eigenverantwortung im Team
Eine der größten Herausforderungen für Führungskräfte ist der Balanceakt zwischen Kontrolle und Freiheit. Sohrab hebt hervor, dass Empowerment nicht bedeutet, blind Entscheidungsbefugnisse zu verteilen. Stattdessen müssen Teams durch Enablement vorbereitet werden: Sie brauchen klare Ziele, die richtigen Ressourcen und Kompetenzen, um eigenständig Entscheidungen treffen zu können. Sie sollten den strategischen Kontext verstehen, in dem Entscheidungen getroffen werden.
„Bevor wir über Empowerment sprechen, müssen wir sicherstellen, dass Teams überhaupt in der Lage sind, Entscheidungen zu treffen.“
Teams, die so befähigt sind, sind in der Lage, deutlich schneller und eigenständig Entscheidungen dezentral zu treffen. Das ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Geschwindigkeit der Gesamtorganisation.
Sohrabs Tipp für UX-Professionals
UX-Professionals haben in produktzentrischen Organisationen eine große Chance, ihre Expertise in die frühesten Phasen der Produktentwicklung einzubringen und bereits ab der Ideenfindung dafür zu sorgen, dass am Ende eine erfolgsfördernde UX entsteht. UX ist in produktzentrischen Organisationsmodellen ein integraler Bestandteil.
Sohrab empfiehlt, sich mit den Gedanken von Marty Cagan vertraut zu machen. Hier sind ein paar Links dazu:
- Interviews mit Marty Cagan
- TRANSFORMED: https://www.youtube.com/watch?v=qWpg2xNkf2k
- Transformation: https://www.youtube.com/watch?v=k1JMyN3X5yw
- Product Leadership: https://www.youtube.com/watch?v=RPHZO-ckDWA
- Sohrabs Talk beim PO Day: https://www.youtube.com/watch?v=mlOdUcvqodk
- Podcast Interview: https://produktwerker.de/product-operating-model-cagan/
Außerdem bietet Sohrab auf den kommenden PO-Days einen Workshop zum Product Operating Model an: https://product-owner-day.de/veranstaltung-83014-0-transformation-hin-zum-product-operating-model.html
“Ich kann noch so viel Bücher zu Fußball-Regelwerken lesen. Den echten Spaß werde ich nur dann empfinden, wenn ich Fußball spiele.”
Diese Theorie bildet eine gute Grundlage für eigene Erfahrungen. Den besten Einstieg findet man in Discovery mit kleinen Discovery-Projekten innerhalb des Teams. So kann man mit überschaubarem Risiko experimentieren und die eigenen Fähigkeiten weiterentwickeln.
Sohrab betont, dass es oft leichter ist, andere von den Vorteilen von Discovery zu überzeugen, wenn du konkrete Erfolge in deinem eigenen Unternehmen zeigen kannst. Selbst kleine Projekte können als Hebel dienen, um die Wirksamkeit zu zeigen.
Fazit
Ich hoffe, dass durch unser Campfire mit Sohrab Salimi ersichtlich wurde, welches große Potential für UX- & Design-Professionals in Ansätzen wie Product Discovery und dem Product Operating Model stecken.
Vielen Dank
Ein großes Dankeschön an Sohrab Salimi für seine leidenschaftlichen Einblicke in produktzentrische Organisationen. Vielen Dank an die Teilnehmenden für’s Mitdiskutieren. Ein besonderer Dank geht an unseren Sponsor cxomni, der unsere Experience Campfires möglich macht.