Künstliche Intelligenz: Warum Unternehmen sich vor KI-Washing hüten sollten

Manche Unternehmen benutzen den KI-Boom als irreführendes Verkaufsargument. Doch Anbieter dürfen keine falschen Erwartungen wecken, warnen die Freshfields-Anwälte Christoph Werkmeister und Elena Brandt

Jan 18, 2025 - 18:48
Künstliche Intelligenz: Warum Unternehmen sich vor KI-Washing hüten sollten

Manche Unternehmen benutzen den KI-Boom als irreführendes Verkaufsargument. Doch Anbieter dürfen keine falschen Erwartungen wecken, warnen die Freshfields-Anwälte Christoph Werkmeister und Elena Brandt

Künstliche Intelligenz gilt zunehmend als Symbol für Transformation und Zukunftsfähigkeit. Als Schlüsseltechnologie zieht sie das Interesse von Investoren und Kunden gleichermaßen auf sich und wird oft als Verkaufsargument genutzt. Doch nicht alle Unternehmen setzen KI (Englisch: Artificial Intelligence, kurz AI) tatsächlich ein, obwohl sie ihre Produkte oder Dienstleistungen als KI-gestützt bewerben. Diese Praxis, bekannt als sogenanntes AI Washing, lehnt sich an Begriffe wie „Greenwashing“ oder „Pinkwashing“ an und beschreibt eine Form der Irreführung, die vom aktuellen KI-Hype profitiert.

KI-Washing birgt nicht nur das Risiko eines Reputationsverlusts durch enttäuschte Kunden, sondern kann auch rechtliche und regulatorische Konsequenzen haben. Während solche Fälle in Deutschland bislang kaum öffentlich bekannt wurden, sind Behörden in den USA bereits aktiv. Die Federal Trade Commission (FTC), die gegen unlautere und täuschende Geschäftspraktiken vorgeht, ermittelt beispielsweise gegen einen Betreiber von Onlineshops, der seine Produkte als „powered by AI“ bewarb, obwohl der tatsächliche Mehrwert durch KI in diesen Produkten begrenzt war. Ähnlich ist die US-Börsenaufsicht SEC gegen Anlageberater vorgegangen, die fälschlicherweise behaupteten, ihre Investmententscheidungen würden größtenteils durch KI gesteuert.

Compliance all-inclusive gibt es nicht

In Europa könnten solche Fälle künftig ebenfalls zunehmen. Die rechtliche Einordnung ist dabei vom Einzelfall abhängig. Wettbewerber oder Verbraucherschutzbehörden könnten gegen irreführende Praktiken klagen. Zudem ermöglicht die neue EU-KI-Verordnung der Bundesnetzagentur, bei groben Verstößen empfindliche Bußgelder zu verhängen – bis zu 7 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes oder 35 Mio. Euro.

Ein Bereich mit besonderem Konfliktpotenzial ist die Bewerbung von KI-Anwendungen für Geschäftskunden. Denn in Deutschland würde man sich wahrscheinlich weniger an Begriffen wie „powered by AI“ stören, sondern eher daran, wenn suggeriert wird, Kunden müssten sich keine Gedanken mehr über rechtliche Anforderungen, etwa aus der KI-Verordnung oder dem Datenschutzrecht, machen. Denn Anbieter können gar nicht gewährleisten, dass ihre Systeme bedenkenlos und vollständig rechtskonform von ihren Kunden gemäß den EU-Regularien eingesetzt werden. Schließlich richten sich viele dieser Anforderungen direkt an die Betreiber der KI-Systeme, also die Geschäftskunden, und nicht nur an die Anbieter.Best of AI

Daher ist es entscheidend, dass Anbieter keine falschen Erwartungen wecken, erst recht nicht durch Versprechen umfassender Compliance. Gleichzeitig müssen Kunden sicherstellen, dass sie nicht blind auf solche Aussagen vertrauen. Stattdessen sollten sie ihre rechtlichen Pflichten, insbesondere in Bezug auf die Bewertung und Dokumentation von Risiken beim KI-Einsatz, genau kennen und einhalten.

AI Governance entscheidend

Um auf beiden Seiten – bei Anbietern und Kunden – einen rechtskonformen Einsatz von KI sicherzustellen, ist der Aufbau einer effektiven AI Governance unerlässlich. AI Governance umfasst die Gesamtheit der Prozesse, Standards und Richtlinien eines Unternehmens, die gewährleisten sollen, dass KI-Systeme sicher, ethisch und rechtskonform entwickelt und betrieben werden. Ein zentraler Bestandteil ist die klare Zuweisung von Verantwortlichkeiten innerhalb des Unternehmens, damit Risiken in den betroffenen Fachbereichen adressiert werden können. Ergänzend dazu sollte ein Grundverständnis für technische und rechtliche Anforderungen, die sogenannte „AI Literacy“, aufgebaut werden.

Für Anbieter von KI-Systemen kann die Etablierung solcher Governance-Strukturen mehr als nur zusätzliche Bürokratie bedeuten: Sie kann ein Alleinstellungsmerkmal sein. Der Nachweis klarer Prozesse zur Risikominimierung schafft Vertrauen bei Kunden und erleichtert deren Einhaltung der Betreiberpflichten. Umgekehrt ermöglicht eine gut implementierte AI Governance auf Kundenseite die systematische Prüfung und Überwachung von KI-Anwendungen. Unternehmen, die über grundlegendes Wissen in diesem Bereich verfügen, werden sich nicht so leicht täuschen lassen – und KI-Washing verliert für sie an Bedeutung.

Autor Gastbeitrag KI