Interview mit Studipolis: Diese junge Gründerin zeigt, wie es geht

"Kompromisse sind in der jetzigen Zeit nötig", sagt Louise Velsen-Zerweck, 23. Zusammen mit anderen hat sie "Studopolis" gegründet, das Forum für überparteilichen Austausch. Ihre Vision? Menschen zusammenbringen und Politik nahbarer machen

Feb 6, 2025 - 15:07
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Interview mit Studipolis: Diese junge Gründerin zeigt, wie es geht

"Kompromisse sind in der jetzigen Zeit nötig", sagt Louise Velsen-Zerweck, 23. Zusammen mit anderen hat sie "Studopolis" gegründet, das Forum für überparteilichen Austausch. Ihre Vision? Menschen zusammenbringen und Politik nahbarer machen

BRIGITTE: Studopolis klingt nach großen demokratischen Zielen. Worum geht es?

Louise Velsen-Zerweck: Wir wollten einen Raum für überparteilichen Austausch schaffen. In dem Menschen aus verschiedenen politischen Blasen – und auch junge Menschen, deren Stimmen sonst oft nicht gehört werden – zusammenkommen und sich mit Andersdenkenden austauschen können. Im Alltag passiert das viel zu wenig, worauf auch diese spürbare gesellschaftliche Spannung basiert. 

Das war die Idee. Wie seid ihr an die Umsetzung herangegangen?

Es kamen zwei Dinge zusammen, die uns in die Karten gespielt haben. Zum einen stand die Bundestagswahl 2021 bevor, zum anderen steckten wir mitten in der Pandemie. Es war uns also nicht möglich, Live-Veranstaltungen für junge Menschen zu organisieren, deswegen haben wir das dann über Zoom gemacht. Und wie durch ein Wunder haben ziemlich schnell viele coole Gäste zugesagt, unter anderem sehr hochkarätige Politikerinnen und Politiker. Das hat uns motiviert, weiterzumachen. Und nach den Talks kamen immer Menschen auf uns zu, die sich bei Studopolis engagieren wollten, dadurch sind wir in kurzer Zeit extrem gewachsen. 

Was denkst du, spricht die Menschen an eurem Format an?

Viele haben gemerkt, dass es Spaß bringen kann, mit den Personen hinter einer politischen Meinung zu sprechen, als sich lediglich zu denken "Ne, das sehe ich anders" oder "Genau, da stimme ich zu" – und dann war es das. Es geht darum, Gemeinsamkeiten zu finden und vielleicht auch Verständnis für Positionen aufzubringen, obwohl man anderer Meinung ist. Kompromisse sind für die Herausforderungen der jetzigen Zeit so nötig. 

Nach dem Abi habt ihr angefangen, sagst du. Wenn ich an meine Schulzeit zurückdenke, weiß ich nicht, ob damals ein solches Politikinteresse vorhanden war. 

Ich glaube, ein großer Politisierungsmoment kam mit "Fridays for Future". Das ging los, als ich in der zehnten oder elften Klasse war. Da hat man gemerkt, dass die Jugend vielleicht eine andere Sicht auf die Dinge hat als die älteren Generationen. Ich würde deswegen auch sagen, dass wir eine politische Generation sind. Aber vielen fällt es schwer, sich einzuordnen. Welche Parteien spiegeln die eigenen Interessen wider? Wen möchte ich wählen? Wir wurden in eine Zeit geboren, in der viele Umbrüche stattfinden, viele Krisen vorherrschen, das alles wirft Zukunftsfragen auf, mit denen sich gefühlt vermehrt junge Menschen befassen. 

Hattet ihr aufgrund eures jungen Alters manchmal Probleme, ernst genommen zu werden?

Nur am Anfang. Relativ schnell konnten wir recht große Namen in unseren Diskussionsrunden begrüßen, damit wurde das weniger. Wir sind ja keine ausgebildeten Moderator:innen und haben einfach die Fragen gestellt, die uns interessiert haben – und das hat Anklang gefunden. Es hat nicht lange gedauert, da saßen wir mit mehr als 100 Menschen in unseren Zoom-Calls. Man hat einfach gemerkt, Redebedarf ist da – und ich denke, das ist auch den Politker:innen positiv aufgefallen.

Wer war euer erster Gast?

Der FDP-Politiker Konstantin Kuhle. Der hatte seinen Wahlkreis in Göttingen, dort wo ich zu der Zeit studiert habe. Wir haben ihn einfach gefragt, ob er Lust hätte, an unserer Veranstaltung teilzunehmen – und er hat zugesagt. Der zweite war dann tatsächlich Sigmar Gabriel. Der hat uns einen Sprung nach vorne ermöglicht, weil dann auch Ministerinnen und Minister auf uns aufmerksam geworden sind. 

Beeindruckend. 

Wir haben einfach angefangen, alle Politiker:innen jeder Partei anzufragen und denen dann auch sehr penetrant nachzutelefonieren.

Mittlerweile haltet ihr die Talks aber nicht mehr über Zoom ab, richtig?

Genau. Irgendwann hat ja diese Videokonferenz-Müdigkeit eingesetzt. Die Leuten hatten keine Lust mehr, stundenlang vorm Rechner zu sitzen. Wir haben dann unsere Formate so umgebaut, dass sie auch analog vor Ort möglich waren. Unsere Events finden jetzt einmal pro Semester in unterschiedlichen Städten statt, und zwar immer dort, wo sich junge Menschen in ihrer Freizeit gerne aufhalten, in Bars, Theatern, Cafés. Uns ist es wichtig, eine lockere Atmosphäre zu schaffen, in der man sich auf Augenhöhe begegnen kann.

Zur Bundestagswahl habt ihr den sogenannten Wahl-Buddy gelauncht. Was ist die Besonderheit?

Wir wollten ein Tool entwickeln, das nicht thesenbasiert funktioniert, wie beispielsweise der Wahl-O-Mat, sondern eher faktenbasiert, sprich wirklich beleuchtet, was in den Wahlprogrammen drinsteht. Ich kann also ein Themengebiet auswählen, das mich interessiert, sagen wir mal 'Außen- und Sicherheitspolitik' und mir dann anzeigen lassen, was die verschiedenen Parteien dazu sagen.

Was freut dich am meisten, wenn du auf dein "Baby" schaust?

Unser Team ist in den letzten vier Jahren von zwei Menschen auf um die 60 gewachsen, die alle eine Vision teilen und diese mit Energie und Leidenschaft verfolgen. Dieser Geist, der mal mit einer ganz kleinen Idee angefangen hat, ist wirklich gewachsen und trägt sich jetzt weiter. Vielleicht mit unterschiedlichen Menschen, aber der gleichen Vision. Ich habe gemerkt, dass es manchmal etwas Mut und Größenwahnsinn braucht, um ins Machen zu kommen. Dass man aber nur, wenn man ins Machen kommt, etwas bewegen kann.