Dämmert es schon oder noch

Der anschwellende Wahlkampf bildet sich wie immer hauptsächlich auf Plakaten ab. Ich habe bisher kein einziges Plakat gesehen, das eine brauchbare Botschaft oder Forderung transportiert hätte. Nur vage Sinnsprüche sehe ich, und eher hohle Schlagwörter, alles recht beliebig, austauschbar und auf eine flache, mir längst überholt vorkommende Art reklamemäßig. Ich sehe auch die dazugehörigen Grinsegesichter.... Der Beitrag Dämmert es schon oder noch erschien zuerst auf Buddenbohm & Söhne.

Jan 18, 2025 - 08:14
Dämmert es schon oder noch

Der anschwellende Wahlkampf bildet sich wie immer hauptsächlich auf Plakaten ab. Ich habe bisher kein einziges Plakat gesehen, das eine brauchbare Botschaft oder Forderung transportiert hätte. Nur vage Sinnsprüche sehe ich, und eher hohle Schlagwörter, alles recht beliebig, austauschbar und auf eine flache, mir längst überholt vorkommende Art reklamemäßig.

Ich sehe auch die dazugehörigen Grinsegesichter. Sie sagen mir nichts, sie werfen nur immer dieselbe Frage bei mir auf, nämlich wie man charakterlich beschaffen sein muss, um sein Gesicht auf Plakaten am Straßenrand sehen zu wollen. Aber gut, ich finde auch schon Selfies furchtbar, ich bin da kein Maßstab. Schon klar.

Die großgedruckten Texte jedenfalls, sofern man da von Texten überhaupt reden mag, sie sind durchweg und über alle Gruppierungen hinweg auf dem Niveau des Slogans, mit dem die Satiretruppe Die Partei einst hier warb: „Hamburg – Stadt im Norden.“

Und das soll dann also meine Wahlentscheidung beeinflussen. Na ja. Oder, wie die Jugend angeblich heute sagt: „Nein, Pascal, ich denke nicht.“

In der aktuellen Folge des Podcasts Lage der Nation empfehle ich Ihnen in diesem Zusammenhang das Kapitel über die wirtschaftlichen Vorstellungen in den Parteiprogrammen (ab 31:08), den großen Vergleich der geplanten Finanzdesaster. Auch wenn die Analyse, man erwartet es leider kaum anders, betrüblich ausfällt.

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Der Freitag war ansonsten, und immerhin war es von mir so eingeplant, ein tatsächlicher Lynch-Tag. Schon vom Wetter her. Derart unbestimmt und vage, schwer zu deuten war es die ganze Zeit. Man wusste nicht recht, ist es hell oder dunkel da draußen, dämmert es schon oder noch. Ist der Nebel so dick, ist die Luft so nass oder regnet es einfach, ist es kalt oder schon eiskalt. Das passte alles schön, der Twin-Peaks-Soundtrack lief entsprechend zigmal bei mir durch, und es war gut so.

Auf dem Rathausmarkt standen beim Abendspaziergang durch die dunkelgraue Stadt noch die rotweißen Absperrgitter, welche die Polizei bei dem Demogeschehen vorgestern eingesetzt hatte. Zusammengeschoben und fertig für den Abtransport am Rand des Platzes. Ich ging daran vorbei und dachte in etwa: „Da stehen noch die Gitter“, als ein Pärchen an mit vorbeiging. Der Mann zeigte mit dem Finger und sagte: „Da stehen noch die Gitter.“

Was sich einigermaßen merkwürdig anfühlte, da er wortgleich sagte, was ich gerade dachte. Eine externe Tonspur zu meinen Gedanken.

Und wenn es auch wenig originell und einigermaßen vorhersehbar war, was wir da dachten und sagten, führte es mich doch zu der wiederum lynchesk anmutenden Frage, wie oft wohl die Menschen um mich herum exakt das denken, was ich auch denke. Wie oft wir sozusagen synapsensynchron sind und was das ausmacht.

Denn es mag immerhin sein, aber das ist nur ein Denkansatz, dass wir mit jedem Jahr mehr in einer Gesellschaft leben, in der diese Synchronizität abnimmt. Es kommt mir nicht unwahrscheinlich vor, geschichtlich betrachtet. Denn wir verabschieden uns seit einigen Jahren deutlich von jeglichem gemeinsamen Medienkonsum. Wir haben längst kein gemeinsames Lagerfeuer mehr, nicht einmal ein virtuelles.

Da wir uns dadurch zwangsläufig bei sämtlichen Erzählungen [der Autor umsegelt souverän das unsäglich gewordene Wort Narrativ], Informationen und also auch Denkmustern immer weiter aufsplittern und in Lager teilen, wie man es auch im Alltag kaum noch übersehen kann, bringen wir das Science-Fiction-Phänomen des Multiversums mittlerweile ganz ohne Tricks und Physik zur Anwendung.

Ja, so wird es doch sein. Das Phänomen scheint unsere Wirklichkeit tatsächlich immer besser abzubilden: „It’s all in your head, Alice.“

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Na, egal. Zeit für Musik. Und wie fast immer zitiere ich einen Youtube-Kommentar dazu: „It’s absurd how beautiful this song is.“

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Und schließlich noch ein Bild. Ich brauche dann demnächst bitte etwas mehr Licht für neue Aufnahmen da draußen, aber das sollte kalendarisch auch passen.

Jedenfalls in meiner Welt.

Die Alsterarkaden in nebeliger Dunkelheit

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