Weg mit der Bauernhof-Romantik: Aldis radikaler Imagewechsel im Bio-Sortiment
Schluss mit verspielten Schriftzügen und lustiger Landschaftsmalerei: Aldi Nord und Aldi Süd ersetzen ihre bisherige Bio-Eigenmarke „Gut Bio“ bis Mitte des Jahres durch „bio“. Das kommt nun so erwachsen daher, dass selbst Bio-Fachmarken neidisch werden könnten. Der Beitrag Weg mit der Bauernhof-Romantik: Aldis radikaler Imagewechsel im Bio-Sortiment erschien zuerst auf Supermarktblog.
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Aus der Öko-Grundschule direkt in die Bio-Boutique – ungefähr so lässt sich der Wandel beschreiben, den Aldi gerade in seinem Bio-Sortiment vollzieht. Zumindest, was Verpackungsdesign und Markeninszenierung angeht. Statt comichafter Illustrationen und Artikelbezeichnungen in bunter Schrift kommen die neu gestalteten Produkte selbstbewusst-schlicht daher. Gleichzeitig wird die bisherige Eigenmarke „Gut Bio“ ersetzt: durch ein einfaches „bio“, das sich betont seriös gibt und von der Vorstellung verabschiedet, Bio-Produkte müssten besonders „öko“ aussehen, um authentisch zu wirken.
Erste Artikel unter dem neuen Logo waren bei Aldi Süd bereits im vergangenen Sommer im Obst- und Gemüsesortiment zu finden (siehe Supermarktblog).
Inzwischen gibt es auch Bio-Wurstspezialitäten, Bio-Gulasch, Bio-Hackfleisch und Tiefkühlpizzen im neuen Design.
Aldi Nord hat ebenfalls nachgezogen und bietet bereits Bio-Weizenbrötchen zum Aufbacken, Bio-Olivenöl, Bio-Gouda und Bio-Butterkäse, Bio-Ingwer Shots und Bio-Apfelmus ohne Zuckerzusatz mit veränderter Verpackung. Parallel dazu existieren aber noch zahlreiche Artikel unter „Gut Bio“.
Umstellung bis Mitte des Jahres
Nach dem gescheiterten Versuch, Bio auch unter der Traditionsmarke Schneekoppe zu verkaufen (ohne den Kund:innen den Unterschied zum restlichen Bio-Sortiment zu erklären), ist das bereits die nächste Bio-Neupositionierung von Aldi binnen weniger Monate.
Auf Supermarktblog-Anfrag bestätigen Aldi Süd und Aldi Nord gemeinsam:
„ALDI Nord und ALDI SÜD geben ihrer gemeinsamen Bio-Eigenmarke einen neuen Namen und eine neue Optik – aus bisher ‚GUT BIO‘ wird zukünftig ‚BIO‘. (…) Die Umstellung der Artikel auf die neue Bio-Eigenmarke erfolgt sukzessive. Erste Produkte sind in Deutschland bereits in neuem Design erhältlich. Das weitere Sortiment wird voraussichtlich bis Mitte 2025 umgestellt sein.“
Bis dahin würden Restbestände der Gut-Bio-Artikel weiter abverkauft. Ziel sei nach wie vor, Bio „für breite Bevölkerungsschichten erschwinglich“ zu machen.
Klar ist, dass das Facelifting ein Paradigmenwechsel für die Discount-Schwestern bedeutet: Gut Bio präsentierte sich zuletzt mit designgewordener, fast schon penetranter Grundfröhlichkeit, bei der sich der Schriftzug spielerisch über die Verpackung schwang, begleitet von illustrierten Landschaftselementen und einer bunten Farbpalette.
Jetzt ohne Bauernhofzusatzromantik
Die neue Eigenmarke ist dagegen: reduziert, fokussiert, professionell – und nimmt dafür einfach den „bio“-Teil aus dem bisherigen Schriftzug, der nun ohne jegliche Bauernhofzusatzromantik auskommt, sondern bloß ein blätterbewachsenes Ästchen unter den Schriftzug stellt, das auch als schwungvolles Lächeln gedeutet werden kann.
Die Farbwelt konzentriert sich ganz auf helle (für den Hintergrund) und dunkle (für die Schriften) Grüntöne, das bisherige Weiß ist passé. Produktabbildungen wirken nicht mehr collagenhaft montiert, sondern sind präzise fotografiert und platziert. Das sieht keinen Deut mehr „billig“ oder nach klassischem Discount-Produkt aus. Sondern fast schon edel, besser als manche Bio-Fachmarke.
Die Naturland-Zertifizierung, die bei vielen Artikeln prominent platziert ist, verstärkt den seriösen Gesamteindruck. Mit „bio“ ist das Sortiment der ökologisch erzeugten Produkte bei Aldi nun endgültig erwachsen geworden.
Strategischer Neustart mit Naturland
Die Naturland-Kooperation könnte auch der Grund dafür sein, dass Aldi nun noch einmal einen neuen Aufschlag im Bio-Sortiment wagt. Gut Bio galt bislang als Basis-Bio nach EU-Mindestvorgaben. Das hat sich im Laufe der Zeit allerdings geändert. Bereits „25 Prozent des Bio-Standardsortiments“ sind nach eigenen Angaben „nach den Richtlinien des renommierten Öko-Verbands zertifiziert“, hieß es Ende September des vergangenen Jahres in einer Mitteilung – Tendenz steigend.
Das bedeutet aber auch: Zumindest Aldi Süd gerät zunehmend in Erklärungsnot, um Kund:innen darzulegen, worin der Unterschied zur vor anderthalb Jahren eingeführten Premium-Bio-Eigenmarke „Nur Nur Natur“ (NNN) besteht, die ebenfalls auf Naturland-Vorgaben basiert (und zusätzliche Qualitätskriterien festlegt, siehe Supermarktblog).
Das grundrenovierte, deutlich seriöser wirkende „bio“ dürfte die Differenzierung nun nicht vereinfachen.
Hat „NNN“ schon wieder ausgedient?
Theoretisch könnte man in Mülheim an der Ruhr mit dem Gedanken spielen, „NNN“ schon wieder im neuen „bio“ aufgehen zu lassen – falls die Verkaufszahlen der wenigen bisher ins Regal geholten Artikel z.B. deutlich unter den Erwartungen lägen, weil sich die Unterschiede zwischen den Bio-Eigenmarken vielen Discount-Kund:innen schon jetzt nur schwer erschlossen haben. Dann hätte man „NNN“ im vergangenen Jahr aber freilich nicht auch ein neues Design spendieren müssen (siehe Supermarktblog).
Oder es bräuchte dringend eine noch klarere Positionierung für das „Bio, das weitergeht“ neben „bio“, das der Premium-Alternative oft nicht mehr in vielen Punkten nachsteht – weil dank Naturland-Zertifizierung ja ebenfalls „Bio-Qualität auf Fachhandelsniveau“ geboten wird, das „über den EU-Bio-Standard hinausgeht“.
(Für Aldi Nord, das erst gar keine Premium-Bio-Eigenmarke eingeführt hat, dürfte dieser Aspekt keine Rolle spielen.)
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Achten Sie auf den Abfüller!
Auch in anderer Hinsicht erweist sich die Markenumstellung als Herausforderung: Denn vorübergehend sorgt die parallele Existenz alter und neuer Verpackungsdesigns für Verwirrung. Das zeigt sich etwa bei aktuellen Produkttests der Stiftung Warentest: Weil etwa das als empfehlenswert eingestufte Gut-Bio-Olivenöl bereits auf die neue Eigenmarke umgestellt ist, werden Kund:innen dazu aufgefordert, beim Kauf nach der neuen Verpackung Ausschau zu halten oder sich an anderen Merkmalen zu orientieren – etwa dem auf der Rückseite genannten Abfüller.
Eine gezielte Kommunikation in den Läden, die auf die Umstellung hinweist, gibt es bislang nicht. Online wird das Logo teilweise schon eingesetzt („Du willst Bio, wir haben die Auswahl“), die Umstellung wird kurz erwähnt. Auf Anfrage heißt es bei Aldi, das neue Design verleihe der Marke „einen modernen, frischen Look“ und:
„Der neue Markenauftritt verändert die Bio-Artikel nur optisch, die Produktauswahl, die bewährte Qualität sowie die hohen Bio-Standards bleiben weiterhin unverändert.“
Das dürfte nach der Umstellung aller Wahrscheinlichkeit nach auch für die Preise der Artikel gelten .
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