Sachsen: AfD-Rechtsextremist Redner bei Holocaust-Gedenktag
In Coswig bei Dresden findet das Gedenken an die Befreiung des KZ Auschwitz mit einem Redner der AfD statt. Die örtliche CDU hat keine Probleme damit. Es war eine Feststellung ohne Wenn und Aber: Das Landesamt für Verfassungsschutz darf den AfD-Landesverband Sachsen als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ einstufen, entschied das Oberverwaltungsgericht in Bautzen am vergangenen Dienstag.… Weiterlesen Sachsen: AfD-Rechtsextremist Redner bei Holocaust-Gedenktag The post Sachsen: AfD-Rechtsextremist Redner bei Holocaust-Gedenktag appeared first on Volksverpetzer.
In Coswig bei Dresden findet das Gedenken an die Befreiung des KZ Auschwitz mit einem Redner der AfD statt. Die örtliche CDU hat keine Probleme damit.
Es war eine Feststellung ohne Wenn und Aber: Das Landesamt für Verfassungsschutz darf den AfD-Landesverband Sachsen als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ einstufen, entschied das Oberverwaltungsgericht in Bautzen am vergangenen Dienstag.
Und trotzdem: Die legendäre Brandmauer hat in Sachsen nicht nur Löcher, sie ist weitgehend eingerissen. Und für das überfällige AfD-Verbotsverfahren setzt sich die CDU-geführte Landesregierung auch nicht ein.
Jetzt, zum 80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, dem Holocaust-Gedenktag, wird im Freistaat ein weiteres Tabu gebrochen: In der gut 20.000 Einwohner zählenden Stadt Coswig im Landkreis Meißen soll am 27. Januar ein AfD-Mann die Rede bei der städtischen Gedenkveranstaltung zur Befreiung Auschwitz halten. Und die örtliche CDU hat damit kein Problem.
AfD-Redner war früher selbst in der CDU
Die „Sächsische Zeitung“ zitierte den Coswiger CDU-Vorsitzenden Volkmar Franke mit den Worten, man kenne den vorgeschlagenen Redner Felix Kokot persönlich. Kokot, Jahrgang 1936, war demnach früher selbst CDU-Mitglied, saß für die Partei im Kreisrat und engagierte sich in der katholischen Gemeinde.
Ein AfD-light-Politiker? Franke erklärt: „Wir haben also kein Problem damit, dass Herr Kokot am 27. Januar spricht.“ Er werde sich „gewiss an den Rahmen halten“. Die Bundes-AfD kritisiert er, die Coswiger Stadträte aber seien ihm „noch nicht durch Hetzerei, Chauvinismus oder Äußerungen zu Remigration aufgefallen“.
OB warnt vor „Vorverurteilung“ bei gesichert rechtsextremen
Auch der parteilose Oberbürgermeister Thomas Schubert sieht den Vorgang eher gelassen, wie die „Sächsische Zeitung“ weiter berichtet. Jede Fraktion müsse in einer Demokratie einen Redner stellen dürfen – und nun ist halt die AfD dran. Dass diese zwar demokratisch gewählt, aber nicht demokratisch ist, sagt Schubert nicht.
Er erwarte, dass Kokot aufgrund seines hohen Alters „eigene Erfahrungen einbringt“, wird Schubert von der Lokalzeitung weiter zitiert. Kritik am AfD-Redner nannte er „eine Vorverurteilung“ und „eine Politisierung der Veranstaltung, wo es doch eigentlich um die gemeinsame Sache des Gedenkens geht“.
Neun der 26 Stadtratsmitglieder, vor allem aus dem linken Lager, protestierten indes gegen den AfD-Redner zum Holocaust-Gedenktag. Auch zwei der acht CDU-Stadträte haben eine gemeinsame Erklärung dazu unterschrieben: Kokot wie auch die AfD-Stadträte seien „qua Mitgliedschaft und nicht wahrnehmbaren Widerstand in Mithaftung“ für die Politik der rechtsextremen Partei. Für eine Gedenkrede „zu diesem geschichtsträchtigen Anlass“ sei die AfD disqualifiziert, „das wäre eine Verhöhnung der Opfer“.
In Sachsen ist es nicht der erste Versuch, einem AfD-Redner zum Holocaust-Gedenktag eine Bühne zu geben.
„Schamloser“ Plan in Freital
In Freital bei Dresden hatte vor einem Jahr die AfD den Redner zur städtischen Gedenkveranstaltung stellen wollen, und damit eine Welle des Protests ausgelöst. Für Überlebende des Holocausts wirke das „schamlos und makaber“, erklärte das Internationale Auschwitz-Komitee.
Der nach rechts abgedriftete Freitaler Oberbürgermeister Uwe Rumberg, ein früherer CDU-Politiker, verteidigte die Pläne zunächst. Auch der damalige CDU-Landtagskandidat Christian Fischer aus Freital erklärte „Diese Partei wurde von den Freitaler Bürgern in den Stadtrat gewählt. Dies gilt es auch bei solchen Verfahren zu beachten.“ (https://www.juedische-allgemeine.de/unsere-woche/wachsende-unruhe/)
OB Rumberg machte dann jedoch einen Rückzieher und sagte die Kranzniederlegung in der geplanten Form ab. Dies aber nicht, weil ein Faschist sprechen wollte. Sondern, weil es angeblich Drohanrufe im Rathaus gegeben hatte. „Ich sehe die Gefahr, dass die Sicherheit der Veranstaltung und der Teilnehmer nicht zu gewährleisten ist“, erklärte Rumberg.
Nach Kenntnis der Sächsischen Landesarbeitsgemeinschaft „Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus“ (sLAG) ist Coswig in diesem Jahr die einzige Gemeinde mit einem AfD-Redner zum Jahrestag der Auschwitz-Befreiung. In Anspielung auf Freital 2024 und Coswig 2025 erklärte die Organisation: „Eine Problematisierung bei den demokratischen Parteien entsteht allzu oft auch erst durch eine kritische Öffentlichkeit. Da würden wir uns mehr Sensibilität und Standhaftigkeit wünschen.“
AfD hetzt gegen Demokratie
„Gemeinde- und Stadträte der AfD sind in ihrer Rolle als gewählte Vertreter bei Gedenkveranstaltungen eingeladen“, heißt es weiter. Und vermutlich werden sie oft auch kommen. Es ist inzwischen Allgemeinwissen, dass die rechtsextreme Partei gerade solche Auftritte zur Selbstverharmlosung nutzen möchte. Insgesamt soll es in Sachsen zum 27. Januar in mehr als zwei Dutzend Gemeinden Gedenkveranstaltungen geben.
Wie problematisch selbst eine „stille Teilnahme“ von AfD-Politikern sein könne, zeige – so die Landesarbeitsgemeinschaft – der Fall des Landtagsabgeordneten Tobias Heller aus Oschatz, der vor einem Jahr an der Gedenkveranstaltung am 27. Januar in Torgau teilgenommen hatte. Anschließend gab Heller eine vor Abscheu gegen die parlamentarische Demokratie triefendes Pamphlet ab.
Statt eines würdevollen Gedenkens würden „unsere Vollblut-Demokraten in der Hasswoche des Regimes ihre Zeit konzentrierter Staats- und Parteihetze wittern“, schrieb Heller. Über die zu jener Zeit veröffentlichte Correctiv-Recherche zu Potsdam höhnte Heller, ein „staatsfinanzierter Haufen“ habe „angebliche Deportationspläne verbreitet“. Nun würden junge Menschen sich mithilfe der „Lückenpresse“ instrumentalisieren lassen, an „demokratiefeindlichen Demonstrationen“ beteiligen und mit ernster Miene „Nie wieder“ in die Mikrofone „geifern“. In die der „Staatssender“, wie Heller den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nennt.
Auschwitz-Gedenkfeier in Pirna mit AfD-OB?
Die zentrale Gedenkfeier des Freistaats Sachsen für die Opfer des Nationalsozialismus findet bereits am Sonntag in Pirna statt – der ersten Stadt in Deutschland, die einen von der AfD nominierten Kandidaten als Oberbürgermeister hat. Tim Lochner kam vor elf Monaten ins Amt.
Geplant am Sonntag ist eine Kranzniederlegung an der Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein, einem ehemaligen Krankenhaus, in dem die Nazis 1940 und 1941 bei der „Aktion T4“ in einer Gaskammer fast 14.000 vorwiegend psychisch kranke und geistig behinderte Menschen ermordeten. Anschließend lädt Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) zu einem Gedenkkonzert in die Stadtkirche St. Marien ein.
„Die Kranzniederlegung ist ausschließlich für geladene Gäste“, heißt es in einer Mitteilung der Staatskanzlei.
Eingeladen zum Gedenkkonzert sind nach Angaben eines Sprechers alle Oberbürgermeister im Freistaat – also auch Lochner. Er wolle sich aber von Bürgermeister Markus Dreßler (CDU) vertreten lassen, heißt es aus der Staatskanzlei.
Der Vorsitzende der AfD-Landtagsfraktion, Jörg Urban, wurde als „hochrangiger Vertreter des öffentlichen Lebens“ ebenso eingeladen wie die Chefs aller anderen Landtagsfraktionen auch. Kretschmer hatte Urban Anfang November vor Bildung seiner schwarz-roten Minderheitsregierung zum Gedankenaustausch getroffen. Berührungsängste mit Rechtsextremen zeigt er nicht.
Der Sprecher der Stiftung Sächsische Gedenkstätten, Sven Riesel, erklärte auf Volksverpetzer-Anfrage, die Stiftung habe Lochner zur Kranzniederlegung nicht eingeladen, und „auch keine anderen Vertreter oder Vertreterinnen der AfD“. Das Konzert in der Kirche sei öffentlich, ein Besuch ohne Anmeldung möglich. „Zusagen oder Anmeldungen von interessierten Teilnehmenden sind uns nicht bekannt.“
Bisher unklar ist auch, ob Lochner am Montag an einem weiteren Holocaust-Gedenken in Pirna teilnimmt, das von Stadt und Landkreis gemeinsam organisiert wird.
Appell der VVN/BdA
Sachsens Regierungssprecher Ralph Schreiber beantwortete nicht die Frage des Volksverpetzers, ob die Staatsregierung die Haltung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) zum Holocaust-Gedenktag (https://berlin.vvn-bda.de/2024/12/offener-brief-kein-gedenken-an-die-opfer-des-naziregimes-zusammen-mit-der-afd/) teilt. Der Berliner Landesverband der VVN-BdA hatte von den demokratischen Politiker:innen in einem vor Weihnachten veröffentlichten offenen Brief verlangt: „Laden Sie die AfD vom Gedenken aus!“ Und: „Die AfD nutzt ihre Teilnahme an Gedenkveranstaltungen, um sich als vermeintlich ganz normale demokratische Partei darzustellen. Gleichzeitig führt sie einen fundamentalen Angriff auf die Erinnerungskultur in Deutschland.“
Auch auf die Lage in Pirna war die VVN-BdA in dem offenen Brief eingegangen. Sie zitierte den Leiter der Stiftung NS-Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein, Markus Pieper. Dieser hatte nach der Wahl von Lochner zum Oberbürgermeister erklärt: „Wir möchten keine Kränze der AfD.“
Artikelbild: Oded Balilty/AP/dpa
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