Osage-Morde: Tödlicher Reichtum: Warum ein indigenes Volk für Öl mit seinem Leben bezahlte
Lange Zeit sind die Osage nur eine von vielen indigenen Gemeinschaften in den USA, doch dann wird Ende des 19. Jahrhunderts auf ihrem scheinbar wertlosen Land in Oklahoma Öl gefunden. Der plötzliche Reichtum ändert alles – und löst eine rätselhafte Mordserie aus
Lange Zeit sind die Osage nur eine von vielen indigenen Gemeinschaften in den USA, doch dann wird Ende des 19. Jahrhunderts auf ihrem scheinbar wertlosen Land in Oklahoma Öl gefunden. Der plötzliche Reichtum ändert alles – und löst eine rätselhafte Mordserie aus
Am Abend des 9. März 1923 macht sich Bill Smith in seinem Studebaker-Sechszylinder auf den Heimweg. Smith, ein ehemaliger Pferdedieb Anfang dreißig, hat auf der Ranch eines Bekannten schwarzgebrannten Whiskey besorgt, nun fährt er zurück in das Städtchen Fairfax, Oklahoma. Der Ort liegt im Osage County im Norden des US-Bundesstaats, der Heimat der gleichnamigen indigenen Gemeinschaft. Von den Fördertürmen im Umland weht der Geruch von Öl zu Smith herüber, als er seinen Wagen an den Baracken der Arbeiter und an mehrstöckigen Villen vorbeilenkt. Auf deren Dächern und Fensterbänken, über Türen und Hintereingängen strahlen zahllose Glühbirnen. Die Einwohner von Fairfax nennen sie Angstlichter.
Auch Smith und seine Frau Rita, eine Osage, wohnen in einem großzügigen Haus mit Veranda und ausladenden Giebeln. Und auch sie fürchten die Dunkelheit, leben in ständiger Angst. Denn von den gut 2200 Osage sind binnen weniger Jahre mehr als ein Dutzend erschossen worden oder unter unerklärlichen Umständen verstorben.
Jeder im County ahnt mittlerweile wohl, weshalb: Das Land der Osage birgt gewaltige Mengen an Erdöl. Das schwarze Gold hat Nester wie Fairfax in Boomtowns verwandelt, den Indigenen sagenhaften Reichtum beschert, hat auch die Smiths reich gemacht. Und offenbar gibt es Menschen, die über Leichen gehen, um an diesem Wohlstand teilzuhaben.
Mollie Burkhart: Die Erbin des gesamten Ölgelds
Rita Smith hat bereits ihre Mutter und zwei ihrer drei Schwestern durch die rätselhafte Todesserie verloren. Erst kürzlich ist sie mit Bill vom Land in die Stadt gezogen. Dort hoffte sie, sicherer zu sein. Doch der Schrecken hat sie eingeholt: Vor einigen Tagen haben Unbekannte alle Wachhunde in der Umgebung vergiftet.
Bill stellt den Studebaker in der Garage ab. Außer dem Ehepaar wohnt noch eine Bedienstete im Haus; Kinder haben die Smiths nicht. Alle drei gehen früh zu Bett.
Kurz vor drei Uhr morgens zerfetzt die Druckwelle einer Explosion Haustüren und Fensterscheiben im Viertel, knickt Bäume und Straßenschilder um. Auf einem Grundstück lodern Flammen auf. "Es ist Bill Smiths Haus", schreit jemand.
Feuerwehrmänner schaffen Eimer um Eimer Wasser aus einem nahen Brunnen herbei, bis sie sich endlich dem Haufen aus verkohlten Brettern und zertrümmerten Möbeln nähern können, in den sich die Villa der Smiths verwandelt hat. In der Ruine entdecken sie Rita Smith, im Nachthemd, mit einem friedlichen Ausdruck im Gesicht. Den Körper der Haushälterin dagegen hat die Explosion zerfetzt, die Helfer finden nicht einmal ihre Leiche. Bill bergen sie lebendig, aber mit entsetzlichen Verbrennungen.
Nur noch eine Schwester von Rita ist nunmehr am Leben: Mollie Burkhart. Sie wohnt ein paar Straßen weiter und ist die Erbin des gesamten Ölgelds, das ihre verstorbenen Verwandten besessen haben. Vermutlich stellt sie sich wohl noch in derselben Nacht die Frage: Wann werden die Mörder zu ihr kommen?
Die Aussicht auf schnellen Reichtum setzt kriminelle Energien frei
Dass die Osage zu derartigem Reichtum gelangt sind, ist eine absolute Ausnahme in der Geschichte der USA. Nachdem sie wie so viele indigene Gruppen im 19. Jahrhundert mehrfach vertrieben worden sind, kaufen sie ein Stück Prärie und Wald im späteren Bundesstaat Oklahoma – mehr als doppelt so groß wie Luxemburg, steinig, wenig fruchtbar.
Die weißen Amerikaner interessieren sich nicht für den scheinbar wertlosen Flecken Erde, bis die Osage 1895 einem Unternehmer Probebohrungen genehmigen – und dieser prompt auf Erdöl stößt. Zu dieser Zeit wird der Rohstoff in den USA immer begehrter, erst recht, als dank Henry Fords "Model T" ab 1908 die Automobile Amerikas Straßen erobern.
Die Aussicht auf schnellen Reichtum, den das Öl verheißt, setzt in manchen Menschen kriminelle Energie frei. 1922 etwa besticht der Unternehmer Harry Sinclair den US-Innenminister Albert B. Fall, um die Förderrechte an dem regierungseigenen Ölfeld Teapot Dome – benannt nach einer teekannenförmigen Felsformation – in Wyoming zu erhalten. Der Fall wächst sich zu einem der größten Korruptionsskandale der US-Geschichte aus: Der Minister tritt zurück, muss schließlich sogar ins Gefängnis. Wenig später bringt in Los Angeles ein Betrüger etliche Kleinanleger um 150 Millionen Dollar: Die Ölquellen, an denen er sie beteiligen wollte, gibt es gar nicht.
Das Öl im Osage County hingegen ist, so stellt sich rasch heraus, mehr wert als die Erträge sämtlicher US-amerikanischer Goldräusche. Bald ist die Prärie mit Fördertürmen übersät, die aus der Erde ragen wie Baumleichen nach einem Waldbrand. Inmitten der Ölfelder wuchern Dutzende Boomtowns, anfangs wenig mehr als ein paar Geschäfte und Baracken, bevölkert von weißen Ölarbeitern und Indigenen, Schwarzhändlern, Cowboys und Gesetzlosen.
Alle drei Monate reisen Ölunternehmer in ihren Luxuszügen nach Pawhuska, dem Verwaltungssitz des Countys: Dann versteigert ein Auktionator dort im Auftrag der Indigenen neue Bohrrechte. Der Baum, unter dem die Männer sich zu diesem Zweck versammeln, wird als "Millionen-Dollar-Ulme" bekannt.
Ein noch vor dem Ölboom erlassenes Bundesgesetz regelt, dass alle Gewinne, die das Land der Osage abwirft, unter ihnen aufgeteilt werden. Es sieht auch vor, dass jeder und jede – Kinder eingeschlossen – einen unverkäuflichen, aber vererbbaren Anspruch auf seinen Teil an den Einkünften hält. Diese headrights bescheren einer fünfköpfigen Familie jährlich mehrere Zehntausend Dollar, ein Vielfaches des US-amerikanischen Durchschnittsverdiensts. Zeitweise haben die Osage gar das höchste Pro-Kopf-Einkommen der Welt, können sich Automobile, Telefone und Villen mit Bediensteten leisten. Pawhuska besitzt bald sogar ein Opernhaus.
Das weiße Amerika blickt mit einer Mischung aus Neid und Verachtung auf diesen unverhofften Wohlstand. Weiße strömen in das vormals hauptsächlich von Osage bewohnte County; viele bereichern sich, wo sie können. Händler verlangen von den Osage Wucherpreise. Andere heiraten in die indigene Gemeinschaft ein.
Bevormundung per Gesetz: Der US-Kongress entmündigt die Osage
Rassistische Vorurteile prägen die Berichterstattung darüber, was im Osage County geschieht. Die Osage gingen mit Geld um wie Kinder, heißt es. Ein Regierungsinspektor spricht sogar von Zuständen wie in "Sodom und Gomorrha". So unterwirft der US-Kongress schließlich jeden Osage per Gesetz einem "Kompetenztest". Wer den nicht besteht, dem zwingt die neue Regelung einen weißen Vormund auf. Dieser entscheidet darüber, wie viel Geld sein Mündel jeweils aus dem eigenen Vermögen entnehmen darf.
Das System ist wie geschaffen dafür, sich an den Öleinkünften der Osage zu bedienen. An die Headrights kommen die Vormunde allerdings nicht – es sei denn, die Indigenen setzen sie als Erben ein.
Auch die Familie Kyle, so Mollies und Ritas Geburtsname, kann gut vom Öl leben. Belegt ist zumindest, dass sich ihre Schwestern Minnie und Anna sowie die verwitwete Mutter Lizzie Hausangestellte und Urlaubsreisen leisten. 1917 heiratet Mollie einen weißen Taxifahrer, Ernest Burkhart, der auch ihr Vormund wird. Der Sohn eines texanischen Farmers ist fünf Jahre zuvor seinem Onkel nach Oklahoma gefolgt, dem wohlhabenden Viehzüchter William Hale. "King of the Osage Hills" nennt sich der gut vernetzte Hale, der seinen Neffen gelegentlich als Hilfsarbeiter beschäftigt.
Mollie Burkhart bringt bald das erste Kind zur Welt, umsorgt trotz ihres Diabetes die Mutter, bekocht ihre Schwestern ebenso wie Ernests Brüder. Doch 1918 stirbt Minnie an einer "eigenartigen Form der Schwindsucht", so die Diagnose der Ärzte. Niemand kann sich ihren Tod erklären; sie war erst 27 und durchweg gesund.
Rund drei Jahre später, im Mai 1921, finden Jäger am Ufer eines Baches eine stark verweste, zunächst nicht identifizierbare Leiche. Der örtliche Bestatter aber hat eine Vermutung, schickt nach Mollie, deren Schwester Anna seit einigen Tagen vermisst wird. Sie bestätigt den entsetzlichen Verdacht.
Der Erste, der vermutet, dass die Todesfälle zusammenhängen, ist Mollies Schwager Bill Smith. Schon nach Minnies Tod drei Jahre zuvor drängte er auf Ermittlungen – vergeblich. (Dass damals jene Verbrechensserie ihren Anfang nahm, die als "Osage-Morde" in die Geschichte eingegangen ist, wird erst später klar.)
Auch Annas Leiche muss erst ein zweites Mal untersucht werden, bevor der örtliche Sheriff erkennt, dass sie von hinten durch den Schädel erschossen wurde.
Der Beamte gilt nicht nur als korrupt, er ist auch mit dem zuständigen Staatsanwalt verfeindet. Zwar ruft er weitere Polizisten zu Hilfe, Spuren sichert jedoch keiner von ihnen. Auch das Geschoss lässt sich angeblich nirgends finden; der Fall wird bald geschlossen.
In jener Zeit erkrankt Lizzie Kyle, eine rüstige Frau, an demselben unerklärlichen Leiden, dem auch Minnie erlag. Als sie im Juli 1921 stirbt, erbt Mollie vier Headrights, darunter die ihrer beiden verstorbenen Schwestern. In ihrer Verzweiflung setzt sie eine Belohnung von 2000 Dollar für Hinweise auf den oder die Täter aus, engagiert Detektive, um herauszufinden, wer ihre Verwandten tötete – und warum.
Die Zeitungen im County berichten intensiv über die Todesfälle, vermuten, dass die Osage-Frauen wegen ihres Reichtums ermordet werden. William Hale, der einflussreiche Onkel ihres Mannes, fordert öffentlich, "dem blutigen Geschäft ein Ende" zu setzen, und beauftragt ebenfalls einen privaten Ermittler. Die Detektive machen zwar mehrere Verdächtige aus, darunter Annas früheren Ehemann und eine Osage, deren Mann Anna verführt haben soll. Aber keine dieser Vermutungen erhärtet sich.
Führende Osages bitten einen ihnen wohlgesonnenen Ölunternehmer, in Washington zu erreichen, dass die Bundesbehörden die Ermittlungen übernehmen. Doch am Morgen nach seiner Ankunft wird der Mann mit über 20 Stichwunden und zertrümmertem Schädel nahe der Hauptstadt aufgefunden. Jemand will offensichtlich mit allen Mitteln verhindern, dass die mysteriösen Todesfälle im Osage County aufgeklärt werden. Aber wer?
"Schreckensherrschaft" und die ständige Angst vor dem nächsten Angriff
Bis zum Februar 1923 werden drei weitere Osage vergiftet, einer wird erschossen. Die Indigenen in Oklahoma sprechen inzwischen von einer "Schreckensherrschaft", und wohl jeder Osage lebt in der ständigen Furcht, das nächste Opfer zu sein. Doch außer zusätzliche Lampen an ihre Häuser zu hängen, können sie wenig tun, um sich zu schützen.
Rita und Bill Smith treibt die Angst schließlich zu einem Umzug ins nahe Fairfax. Doch die Mörder finden einen Weg, eine Bombe unter ihrem Haus zu platzieren – und die dritte der vier Kyle-Schwestern zu töten.
Bill Smith wird bei dem Attentat so schwer verletzt, dass er Rita nicht lange überleben wird. Aber er nutzt einen kurzen Moment bei Bewusstsein, um sich seinem Arzt anzuvertrauen: Smith bezeichnet zwei Männer aus seinem näheren Umfeld als seine "einzigen Feinde". Doch entweder ist der Arzt von derselben Furcht erfüllt wie so viele andere – oder er arbeitet mit den Tätern zusammen. Als er das Sterbezimmer verlässt, verkündet er, Smith habe nichts Verständliches von sich gegeben.
Nach dem Tod der Smiths schickt der Gouverneur von Oklahoma einen Ermittler, der sich allerdings selbst als Gauner erweist: Er verkehrt mit örtlich bekannten Gesetzlosen, lässt sich von ihnen bestechen. Ein Anwalt, der die Mordserie im Alleingang aufklären wollte, wird tot an einer Bahnstrecke gefunden. Nichts und niemand scheint die Mörder aufhalten zu können.
Bis zum Sommer 1923 steigt die Zahl der Opfer auf 24. In ihrer Todesangst verlässt Mollie Burkhart das Haus nur noch selten, verriegelt Türen und Fensterläden, lädt kaum noch Gäste ein. Dass sie sich zurückzieht, hat jedoch noch einen anderen Grund: Sie wird immer kraftloser – genau wie zuvor ihre Mutter und ihre Schwester Minnie. Ihr Diabetes könnte diesen Zustand erklären. Angesichts der Umstände aber befürchtet Mollie, dass jemand sie vergiftet.
Eine realistische Chance, dass der Fall gelöst wird, eröffnet sich erst im Dezember 1924. Da endlich schickt das Bureau of Investigation (BOI) in Washington einen fähigen Agenten namens Tom White nach Oklahoma. Die bisher wenig erfolgreiche Behörde soll zu einer schlagkräftigen Bundespolizei umgebaut werden – und die Mordserie bei den Osage scheint ihrem neuen Leiter J. Edgar Hoover geeignet, um sich zu profilieren.
White lässt verdeckte Ermittler ausschwärmen, jede noch so kleine Spur verfolgen. Der Agent geht davon aus, dass es sich bei den Tätern um Helfer eines Mannes handelt, der geduldig und berechnend genug ist, um die Taten über Jahre zu verteilen und teils wie unglückliche Krankheitsfälle aussehen zu lassen. Und so ohne großes Aufsehen an das Vermögen seiner Opfer zu gelangen.
Tatsächlich fällt auf, dass viele Testamente eine Person begünstigen, deren Namen Whites Leute auch bei ihren Recherchen immer wieder hören: William Hale. Der "King of the Osage Hills" hatte gleich mit mehreren Opfern geschäftliche Beziehungen und Deals laufen, die ihm nach deren Tod Geld einbrachten. Vor allem aber würde Hale von der Auslöschung der Familie Kyle profitieren: Sein Neffe Ernest, Mollies Mann, würde deren gesamtes Vermögen erben.
Hat der Neffe dem Onkel geholfen, die Familie seiner eigenen Frau auszulöschen?
Zwar finden die Ermittler keinen Beweis, der Hale belastet. Doch zwielichtige Bekannte von ihm, mit denen sich der Viehzüchter aber eher nicht in der Öffentlichkeit zeigt, darunter Schwarzbrenner, Drogenhändler, Räuber, erwähnen immer wieder Ernest Burkhart: Der führe blind aus, was sein Onkel von ihm verlange. Schließlich behauptet einer der Männer, Mollies Gatte habe ihn mit dem Mord an Rita und Bill Smith beauftragt. Die Aussage erweist sich später als falsch. Aber sie gibt den Ermittlungen neuen Schwung.
Unter den immer klarer auf Hale und Burkhart abzielenden Fragen der Ermittler bricht auch der Arzt sein Schweigen: Die Namen, die Bill Smith auf dem Sterbebett genannt habe, lauteten William Hale – und Ernest Burkhart. Warum Smith selbst seinen Verdacht nicht eher geäußert hatte, bleibt unklar; womöglich hatte er zu Lebzeiten zu große Angst vor dem mächtigen Hale.
Hat der Neffe dem Onkel geholfen, die Familie seiner eigenen Frau auszulöschen? Hier setzen die Ermittler an. Burkhart, so ihre Hoffnung, könnte bereuen, bei Hales mörderischem Werk mitgetan zu haben – und gestehen.
White beschließt, alles auf diese Karte zu setzen, lässt im Januar 1926 beide Männer festnehmen und in ein Untersuchungsgefängnis bringen. Ohne Rücksprache mit Hoover sorgt er dafür, dass ein anderer Häftling in dasselbe Gefängnis überstellt wird. Sein Kalkül geht auf: Der Mann, ein Polizistenmörder, hat sich offenbar mit Hale und Burkhart überworfen – und wenig zu verlieren. Er gesteht, dass er der wahre Mörder der Smiths und ihrer Haushälterin sei. Sein Auftraggeber: Ernest Burkhart.
Prompt bringen die Ermittler den Mann in Burkharts Zelle, wo er sein Geständnis bereitwillig wiederholt. Als White in der folgenden Nacht den Verhörraum betritt, sitzt Ernest zusammengesunken auf seinem Stuhl. "Ich möchte aussagen", sagt er dem Agenten. Ausführlich schildert er, wie er Hale seit seiner Kindheit bewundert, dessen Anweisungen anstandslos ausgeführt habe. Wie sein Onkel ihm von dem Vorhaben berichtet habe, Rita und Bill Smith zu töten. Wie er, Burkhart, das Bombenattentat in Auftrag gab. Er liefert auch Details zu dem Mord an Mollies Schwester Anna.
Hales wehrt sich mit allen Tricks – ohne Erfolg
Die Aussage reicht aus, um seinen Onkel anzuklagen: Zwischen 1926 und 1929 muss sich Hale vor vier Gerichten wegen verschiedener Morde verantworten. Er wehrt sich mit allen Tricks, doch ohne Erfolg: Im Januar 1929 verurteilt ein Bundesgericht William Hale zu 99 Jahren Gefängnis. Reue wird er nie zeigen. Auch äußert er sich nicht dazu, wie genau sein mörderischer Plan enden sollte. Wollte er durch Ernest über das Vermögen von Mollies Familie verfügen – oder hätte auch sein eigener Neffe noch sterben müssen?
Ernest Burkhart erhält wegen des Mordes an Rita und Bill Smith eine lebenslange Haftstrafe. Über die möglichen Vergiftungen von Minnie, Lizzie und Mollie schweigt er sich aus. Der Gesundheitszustand seiner Frau jedenfalls verbessert sich unmittelbar nach den Verhaftungen. Kurz darauf lässt sie sich von Burkhart scheiden.
William Hales "Schreckensherrschaft" ist gestürzt. Wie der US-amerikanische Journalist David Grann in den 2010er Jahren recherchieren wird, reichte die Macht des Drahtziehers wohl so weit, dass er sämtliche örtliche Ermittler und Staatsanwälte und wohl sogar die Ärzte kontrollierte. Grann findet auch heraus, dass es vermutlich noch andere Täter gab, die ähnlich vorgingen wie Hale. Und diese womöglich Hunderte weitere Osage aus Gier töteten.
Den Osage gibt die juristische Aufarbeitung endlich das Gefühl, dass ihre Leben nicht wertlos sind – zumal der US-Kongress bereits während der Verhandlungen beschlossen hat, dass Headrights künftig nicht mehr an Weiße vererbt werden können. 1934 fällt zudem das System der Vormundschaften weg.
Die Urteile sind auch für die Karriere des BOI-Chefs J. Edgar Hoover von Bedeutung. Dessen Behörde steht nun im Ruf aufzuräumen, wenn die Bundesstaaten es nicht selbst schaffen. In den folgenden Jahrzehnten wird Hoover die Macht seiner bald in Federal Bureau of Investigation (FBI) umbenannten Bundespolizei immer weiter ausbauen.
Die Zeit aber, in denen das Öl die Osage reich machte, neigt sich dem Ende zu. Nach jahrzehntelanger Ausbeutung versiegen ihre Quellen allmählich – während die Ölfirmen anderswo in Oklahoma, in Kalifornien und Texas immer neue Vorkommen entdecken. In Folge dieser Rohstoffschwemme fällt der Preis pro Fass von drei Dollar auf dem Höhepunkt des Booms auf 65 Cent im Jahr 1931.
Die unheimliche Macht des schwarze Goldes
In jenem Jahr erstreitet sich Mollie Burkhart das Recht, erstmals frei über ihr Vermögen zu verfügen. 1937 stirbt sie nach längerer Krankheit. So muss sie nicht mehr erleben, wie die Mörder ihrer Familie die Freiheit zurückerlangen. Ihr geschiedener Ehemann Ernest kommt bald nach ihrem Tod auf Bewährung frei. 1947 verlässt auch Hale das Gefängnis vorzeitig – aus Altersgründen und wegen guter Führung.
Da sind die schrecklichen Ereignisse im Osage County in den USA längst kein Thema mehr. Erst Jahrzehnte später wird sich die Öffentlichkeit wieder für sie interessieren: Der Regisseur Martin Scorsese verfilmt 2023 das Buch des Journalisten David Grann. Das düstere Drama mit Robert De Niro in der Rolle des William Hale wird ein weltweiter Kinoerfolg.
Denn drastisch wie kaum ein anderer Fall zeigt jene Mordserie in den 1920er Jahren in Oklahoma die unheimliche Macht, die das schwarze Gold auf Menschen ausüben kann.
Die Nachfahren der Opfer haben einen pragmatischen Weg gefunden, sich an diese Zeit zu erinnern, ohne ständig ihre Peiniger vor Augen zu haben: Das Osage Nation Museum in Pawhuska zeigt ein großformatiges Foto einer indigenen Zeremonie von 1924. Unter den weißen Gästen ist auch William Hale. Sein Gesicht ist mit der Schere herausgeschnitten worden.