Wohnungsbau: Warum Deutschland jetzt Verlässlichkeit in der Wohnungspolitik braucht
Beim Wohnungsbau hinkt Deutschland den Zielen und dem Bedarf weit hinterher. Bernd Hertweck und Michael Kammann fordern ein Umdenken in der Wohnungspolitik: Bauen und Wohnen müssten zentrale Themen der neuen Regierung werden
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Beim Wohnungsbau hinkt Deutschland den Zielen und dem Bedarf weit hinterher. Bernd Hertweck und Michael Kammann fordern ein Umdenken in der Wohnungspolitik: Bauen und Wohnen müssten zentrale Themen der neuen Regierung werden
Die Ampelregierung hatte sich viel vorgenommen, um Bauen und Wohnen erschwinglicher, nachhaltiger und für die private Altersvorsorge besser nutzbar zu machen. Inzwischen muss festgehalten werden, dass viele der Ambitionen der Ampelregierung nicht, beziehungsweise nicht mehr umgesetzt werden. Zahlreiche Kernherausforderungen bleiben fortbestehen, und die Wohnungsnot in Deutschland hat alarmierende Ausmaße angenommen. Angesichts steigender Nachfrage durch Zuzug und Binnenmigration sowie stagnierender Angebote ist ein Umdenken in der Wohnungspolitik dringend erforderlich.
Das KfW-Programm „Wohneigentum für Familien – Bestand“, besser bekannt als „Jung kauft Alt“, steht symptomatisch für die aktuellen Herausforderungen in der Wohnungspolitik. Es soll sozialpolitische Ziele erfüllen, indem nur Haushalte gefördert werden, deren Einkommen 90.000 Euro (plus 10.000 Euro je Kind) nicht überschreitet. Gleichzeitig müssen hohe energetische Standards eingehalten werden: Das Gebäude muss innerhalb von viereinhalb Jahren nach Erwerb auf den Standard „Effizienzhaus 70“ saniert werden. Diese Anforderungen schließen sich jedoch in der Praxis oft gegenseitig nahezu aus; viele Haushalte mit niedrigem Einkommen können sich umfassende Sanierungen nicht leisten.
Dies zeigt sich deutlich im Ergebnis: Seit dem Start des Programms Anfang September 2024 wurden bis Ende 2024 lediglich knapp 100 Anträge bewilligt – ein klares Zeichen dafür, dass damit weder den Familien noch dem Klimaschutz gedient ist.
Von der neuen Bundesregierung erwarten wir daher ein Umdenken in der Wohnungspolitik. Sie muss die soziale und gesellschaftliche Bedeutung des Wohneigentums ernst nehmen und gezielt unterstützen:
1. Stärkerer Fokus auf Wohneigentumsbildung als Wohnraumschaffer
Neubau darf nicht zum Tabu werden. Gerade Wohneigentum trägt als wichtigste Säule der Bautätigkeit entscheidend zur Wohnraumversorgung bei, entlastet angespannte Mietmärkte in Ballungszentren, stabilisiert Quartiere und nutzt wegen hoher Standards auch dem Klimaschutz. Denn in Deutschland wird bereits nach hohen energetischen Vorgaben gebaut – sowohl im Eigenheimsegment als auch bei Etagenwohnungen.
2. Unterstützung beim Eigenkapitalaufbau
Bauen und Wohnen muss wieder erschwinglicher werden und besonders auch für junge Familien zugänglich sein. Das Gegenteil ist seit Jahren der Fall. Die größten Hindernisse beim Wohneigentumserwerb sind mangelndes Eigenkapital (Sparen brachte in der Niedrigzinsphase keine Erträge), hohe Bau- und Erwerbsnebenkosten und seit der Zinswende auch die Einkommenshürde. Daher sollten bestehende Instrumente der Ansparförderung gestärkt werden, die auf den zweckgerichteten Aufbau von Eigenkapital zum Eigentumserwerb abzielen. Denn Wohnungsbauprämie und Arbeitnehmer-Sparzulage haben nachweislich eine starke Hebelwirkung auf das Sparen und können in hohem Maße private Mittel mobilisieren – ohne dabei die öffentlichen Haushalte übermäßig zu belasten.
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3. Selbstgenutztes Wohneigentum als festen Bestandteil der Altersvorsorge etablieren
Selbstgenutztes Wohneigentum muss als feste und dauerhaft geförderte Säule der Altersvorsorge etabliert werden. Es ermöglicht mietfreies Wohnen im Alter und leistet damit einen entscheidenden Beitrag zur finanziellen Sicherheit. In einer Zeit, in der steigende Lebenshaltungskosten und unsichere Rentenperspektiven die Bevölkerung belasten, ist diese Form der Vorsorge unverzichtbar.
Besonders die Eigenheimrente, auch bekannt als „Wohn-Riester“, spielt hierbei eine zentrale Rolle. Sie bietet vielen Menschen eine realistische Alternative zur privaten Geldrente, insbesondere für jene, die finanziell nicht in der Lage sind, parallel in beide Vorsorgewege zu investieren. Die Politik ist gefordert, für Verlässlichkeit und Stabilität in der Förderkulisse zu sorgen und muss administrative Hürden reduzieren.
4. Grunderwerbsteuer zum Instrument der (nachhaltigen) Wohneigentumsförderung machen
Bewegung muss es auch bei der Grunderwerbsteuer geben: Freibeträge, gestaffelte Steuersätze oder Abschläge für den Erwerb energieeffizienter Gebäude könnten helfen, die Erwerbsnebenkosten zu reduzieren und Interessen von Erwerbern und öffentlicher Hand auszugleichen.
5. Bauland mobilisieren und Bauen erleichtern – aber auch Leerstand vermeiden und Regionen stärken
Um den Wohnraummangel zu bekämpfen, müssen ungenutzte Flächen wie Brachflächen, leerstehende Bürogebäude und Flachbauten besser genutzt werden. Eine bundesweite Musterbauordnung könnte dabei pragmatische und kostensparende Bauweisen ermöglichen. Ebenso entscheidend ist die Beschleunigung digitaler Bauprozesse: Die Förderung der Digitalisierung in Bauämtern würde Genehmigungsverfahren verkürzen, während eine Genehmigungsfiktion bei Fristüberschreitungen zusätzliche Planungssicherheit schaffen könnte.
Zudem bedarf es einer konsequenten Umsetzung bestehender Ansätze wie seriellem Bauen und flexiblen Bauvorgaben, etwa dem Gebäudetyp E. Diese Maßnahmen bieten großes Potenzial, die Baukosten zu senken und schnell Wohnraum zu schaffen.
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6. Nachhaltigkeit im Gebäudesektor – klimawirksam und sozial
Wohneigentümer leisten bereits viel für den Klimaschutz; dies belegen regelmäßig die Energiewendebarometer der KfW. Trotz ihrer intrinsischen Motivation sind viele Eigentümer jedoch frustriert über ständig neue Anforderungen. Für langfristige Investitionen in den Klimaschutz müssen sich Haushalte und Investoren auf Sanierungspfade und Förderbedingungen verlassen können. Energetische Anforderungen dürfen den Zugang zu Wohneigentum nicht zusätzlich erschweren. Förderprogramme müssen darauf ausgerichtet werden, diesen möglichen Zielkonflikt zu vermeiden. Wir fordern ein eigenständiges Ressort für Bauen und Wohnen in der neuen Bundesregierung – dessen Zuständigkeit sollte sogar noch erweitert werden, um alle baurelevanten Kompetenzen zu bündeln, insbesondere im Hinblick auf den Klimaschutz im Bestand.
Die Erwartungen an das Jahr 2025 sind hoch: Die neue Bundesregierung muss Bauen und Wohnen als herausragende Themen priorisieren und langfristige Lösungen entwickeln, um den Herausforderungen auf dem Wohnungsmarkt gerecht zu werden.
Dass dies möglich ist, hat die Politik bereits bewiesen: Als das KfW-Programm „Wohneigentum für Familien – Neubau“ wegen zu strenger Einkommensgrenzen kaum nachgefragt wurde, reagierte das Ministerium und korrigierte die Grenzen mit Erfolg nach oben: 2024 wurden Mittel von über 600 Mio. Euro bilanziert.
Reformen in der Wohnungsbaupolitik dulden keinen Aufschub mehr
Die neue Bundesregierung muss Bauen und Wohnen als zentrale Themen priorisieren, um dringend benötigten Wohnraum zu schaffen und den Klimaschutz voranzutreiben. Nur durch klare Maßnahmen und innovative Ansätze können wir eine sozial gerechte und nachhaltige Zukunft im Wohnungsbau sichern.CV Hertweck und Kammann