Wie man die Woken in Militär und NATO lockte … – oder: „Transatlantisch? Traut Euch!“

Nicht nur manche Linke – oder solche, die sich dafür halten – zieht es neuerdings mächtig in den Krieg. Auch woken Lifestyle-„Linken“ stehen längst die Kasernentore sperrangelweit offen. GRÜNE und transatlantische Think Tanks haben dafür bereits vor Jahren die Weichen gestellt. Von Leo Ensel. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. „WennWeiterlesen

Feb 8, 2025 - 16:10
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Wie man die Woken in Militär und NATO lockte … – oder: „Transatlantisch? Traut Euch!“

Nicht nur manche Linke – oder solche, die sich dafür halten – zieht es neuerdings mächtig in den Krieg. Auch woken Lifestyle-„Linken“ stehen längst die Kasernentore sperrangelweit offen. GRÜNE und transatlantische Think Tanks haben dafür bereits vor Jahren die Weichen gestellt. Von Leo Ensel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

„Wenn ich Streitkräfte habe, die in ihren Grundstrukturen die Diversität ihrer Gesellschaft widerspiegeln, sexuell, ethnisch, religiös, dann wissen die, was sie verteidigen.“ So zitierten Oliver Schlaudt und Daniel Burnfin kürzlich in ihrem lesenswerten – leider im Freitag hinter einer Bezahlschranke verschanzten – Essay „Die Geburt der woken Falken: Wie Progressive lernten, das Militär zu lieben” den Politikwissenschaftler an der Universität der Bundeswehr Carlo Masala. Die deutschen Streitkräfte seien, so Masala griffig-alliterierend, „woke und wehrhaft“.

In der Tat eine erstaunliche Entwicklung einer scharfen Truppe, für die noch vor wenigen Jahrzehnten Homosexualität ein – je nach persönlicher Einstellung bzw. Orientierung – begrüßenswerter oder bedauerlicher Ausschlussgrund war! Von weiblichen, gar trans- oder diversen Soldat-Sternchen-innen ganz zu schweigen. Selbst dass „Deutsche mit Einwanderungsgeschichte“ ihr neues Vaterland mal mit der Waffe verteidigen würden (und dürfen), war lange Zeit kaum vorstellbar. „The times, they are a-changing“, indeed … Nicht nur Linke (oder solche, die sich dafür halten) zieht es neuerdings mächtig in den Krieg, auch woken Lifestyle-„Linken“ stehen die Kasernentore mittlerweile sperrangelweit offen.

Diese höchst bemerkenswerte Volte von Bundeswehr und Gesellschaft ist allerdings keineswegs plötzlich vom Himmel gefallen. Wie immer ist man hinterher schlauer. Schaut man genauer hin, so kristallisieren sich in der Retrospektive einzelne Etappen deutlich heraus. Und wieder mal erweisen sich – welch Wunder! – ausgerechnet die GRÜNEN als Avantgarde. Vor genau vier Jahren (es begab sich zu der Zeit, als Annalena Baerbock – „mit Gewehren, die schießen und Nachtsichtgeräten, die funktionieren“ – noch Kanzlerin-Allüren hatte) lieferten sie einen gewichtigen Meilenstein, den es sich heute nochmals genauer anzuschauen lohnt. Denn er ist in seiner Bedeutung vermutlich nicht zu überschätzen.

Transatlantisch? Traut Euch!“

Punktgenau zur Vereidigung von Joe Biden – ein Seufzer der Erleichterung durchzog gerade die westliche Welt – legte ausgerechnet die Heinrich-Böll-Stiftung in trauter Einheit mit nahezu sämtlichen transatlantischen Think Tanks dem frischgebackenen US-Präsidenten eine devote Morgengabe auf den Tisch: „Transatlantisch? Traut Euch!“ prangte es auf dem Titel.

Was sich auf den ersten Blick las wie die Werbung für einen Swinger-Club, war in Wirklichkeit, wie der Untertitel „Für eine neue Übereinkunft zwischen Deutschland und Amerika“ deutlich machte, ein 60.000 Zeichen langes Strategiepapier. Unterzeichnet von Atlantik-Brücke, Aspen Institute, German Marshall Fund und Brookings Institution, European Council on Foreign Relations, der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, der Hans-Seidel-Stiftung, dem Kieler Institut für Sicherheitspolitik wie der Münchner Sicherheitskonferenz und stolz der Öffentlichkeit präsentiert von der damaligen Co-Vorständin der Heinrich-Böll-Stiftung, der Theologin Ellen Ueberschär, in deren heiligen Hallen zu Berlin. Nach der erratischen Trump-Ära sollte nun wieder ein transatlantischer ‚Ruck‘ in Gestalt einer „Neuen Übereinkunft“ durch Deutschland und die ganze westliche Welt gehen. Nein, nicht nur das: „Aus dem Teufelskreis der vergangenen vier Jahre“ sollte – man traut seinen Augen nicht! – „eine Engelsspirale werden.“

Von Anfang an irritierte ein merkwürdig koketter, geradezu aufdringlich-salopper Ton, der vom Titel bis zur letzten Zeile das gesamte Dossier durchzog. Obwohl es doch um harte Politik ging, wurden die Leser-Doppelpunkt-innen, als handele es sich um Kunden eines großen schwedischen Möbelhauses oder User des neuesten Smartphones aus Cupertino, gleich kumpelhaft geduzt.

Mit LGBTI* und Fridays for Future für die ‚nukleare Teilhabe‘

Ein Zitat aus der Präambel bringt uns auf die richtige Spur:

Die Neue Übereinkunft“ – im Papier durchgehend schon gleich mal als Eigenname großgeschrieben – „wird aber nur tragfähig sein, wenn sie die neuen zivilgesellschaftlichen Entwicklungen in unseren Ländern erkennt und berücksichtigt. Gerade junge Menschen und vielfältige Minderheiten (die in ihrer Summe gerade in den Vereinigten Staaten schon mehrheitsfähig sind) haben in den vergangenen Jahren neue Bewegungen gegründet und Energien entfaltet, die Amerika nachhaltig verändern werden. In Deutschland und Europa sind solche Bewegungen – beispielsweise zur Bekämpfung des Klimawandels und der Überwindung von Rassismus und Sexismus, aber auch mit Blick auf Themen wie den Wandel der Arbeitswelt – anschlussfähig. Vor allem weisen sie weit über die bestehenden ‚klassischen‘ transatlantischen Eliten, die vor allem handels- und sicherheitspolitisch geprägt sind, hinaus und ergänzen diese. Die Annäherung an jüngere, diversere und weniger ‚klassische‘ Akteure wird die transatlantische Erzählung fortschreiben.“

Das W-Wort taucht hier zwar noch nicht explizit auf, aber es liegt schon fast greifbar in der Luft!

Und natürlich brauchen diese jüngeren, diverseren Akteure auch eine etwas weniger „klassische“ Ansprache. Schließlich haben die weit in die Zukunft vorausdenkenden transatlantischen Autoren – Sie ahnen es bereits – mit den LGBTI*-Menschen, Black Lives Matter und den „Bewegungen zur Bekämpfung des Klimawandels“ noch Großes vor.

Zum Beispiel im Kapitel: „Nato: Mehr Verantwortung wagen“.

Der „lodernde Glutkern“

Sprache ist verräterisch. „Das Sicherheitsbündnis ist der Glutkern der transatlantischen Partnerschaft“, lautet der Eröffnungssatz. Leidenschaftlicher und poetischer ist das nordatlantische Militärbündnis noch niemals besungen worden!

Gegen wen es – unter anderem – wieder gehen wird, steht bereits im dritten Satz zweifelsfrei fest: „Die Konfliktstrategie Russlands und sein wachsendes militärisches Potential verlangen amerikanisches Gegengewicht.“ Und dazu „sollte Deutschland den Nato-Generalsekretär darin unterstützen, das Strategische Konzept von 2010, in dem von Russland nur als Partner und von China gar nicht die Rede ist, den neuen Gegebenheiten anzupassen.“

Aber es geht nicht nur um Russland. Das Papier ist bekanntlich „ambitioniert“! Der erheblich ehrgeizigere „New Deal“ (kein Wort der Autoren) und „Glutkern“ der „Neuen Übereinkunft“ lautet kurzgefasst so:

Die europäischen Nato-Staaten – mit Deutschland an erster Stelle – erhöhen ihre Fähigkeiten zur konventionellen Verteidigung erheblich. Dadurch entlasten sie die USA in Europa und erleichtern es ihnen, im Indo-Pazifik die Interessen der liberalen Demokratien zu schützen. Im Gegenzug bekräftigen die USA ihr Bekenntnis zur Verteidigung des Bündnisgebietes. Sie untermauern dies durch ihre dauerhafte militärische Präsenz in Europa sowie durch ihre nukleare Schutzzusage, die Deutschland durch die Nukleare Teilhabe unterstützen sollte, solange es Nuklearwaffenstaaten außerhalb der Nato gibt.“

Endlich ist die Katze aus dem Sack! Und das bedeutet natürlich auch, dass Europa deutlich stärker werden muss. „Europa muss als Partner der USA und tragende Säule der transatlantischen Gemeinschaft handlungsfähig sein.“

Es folgt eine wahre Kaskade von Forderungen im Detail. Vom Zwei-Prozent-Ziel über die Modernisierung der Beschaffungsprozesse der Bundeswehr und eine berechenbare Rüstungszusammenarbeit mit den NATO-Partnern bis hin zu einer „politischen Kraftanstrengung“, sprich: Initiativen, mit denen Deutschland die USA entlasten und angeblich zur Sicherheit Europas beitragen soll.

Das betrifft vor allem die Peripherie von EU und NATO. Vom Hohen Norden über die Ostsee, Belarus und die Ukraine, den Westbalkan und den Kaukasus bis zum Mittelmeerraum des Nahen Ostens und Nordafrikas: Überall bestehen Krisen oder gar tatsächliche Konflikte, die durch größeres Engagement, gezielteres und besser abgestimmtes Vorgehen gemildert werden könnten.“

Und nun verstehen wir endlich den tiefen Sinn der angestrebten Annäherung an die berühmten jüngeren, diverseren und weniger ‚klassischen‘ Akteure: Von der farbenfrohen Queer-Szene über MeToo und Black Lives Matter bis zu den rührigen Klimaschützern – alle sind sie eingeladen zur Stärkung der westlichen Verteidigungsfähigkeit, zur Bekräftigung der (großgeschrieben) „Nuklearen Teilhabe“ und zum Schutz der liberalen Demokratien. Von Europas Peripherie bis zum indopazifischen Raum!

Denn, so heißt es abschließend: „Diese Nato ist unsere Nato. Und Deutschland hat es mehr als jede andere Nation in der Hand, durch mehr Initiative und verstärkte Beiträge die Allianz so zu formen, dass sie als Glutkern des Westens weiter lodert.“

Die woke Truppe

Man sieht, das Papier war seiner Zeit, will sagen: dem Stellvertreterkrieg in der Ukraine, dem 100 Milliarden schweren ‚Sondervermögen‘ und der zunehmend auf „Kriegstüchtigkeit“ getrimmten deutschen Gesellschaft weit voraus!

Und die olivgrüne Saat ging auf: Krieg ist mittlerweile schick. Männer, Frauen, Diverse und Transmenschen; Hetero-, Homo- und A-Sexuelle; Christen, Muslime, Agnostiker und Atheisten stehen heute stramm in einer Reihe ihren woken Mann – pardon: Mensch! Mit schlaffen, langhaarigen Zivis, die in Krankenhäusern und Altersheimen Rollstühle schieben, Schwerstkranke füttern und Pflegebedürftigen den Hintern abwischen, will heute keiner mehr was zu tun haben.

Das hat jetzt sogar Wolfgang Niedecken von BAP kapiert.

Mit freundlicher Genehmigung von Globalbridge.

Titelbild: Bundeswehr/Tom Twardy