„Wie ist es dazu gekommen, dass du jetzt da bist, wo du bist?“
Ausflug | Heute vorletzter Urlaubstag und ein kurzer Abstecher nach Dortmund. Ich habe immer noch Ärzt:innen dort. Ab und an bedarf es eines Besuchs. Ich nutzte die Gelegenheit, um zwei, drei Dinge einzukaufen und einmal durch die Stadt zu bummeln. Leser:innenfrage | Eine Frage aus der unverbindlichen Themen-Vorschlagsliste: „Kannst du mal was zu deinem beruflichen Werdegang schreiben? […] The post „Wie ist es dazu gekommen, dass du jetzt da bist, wo du bist?“ first appeared on Draußen nur Kännchen.
Ausflug | Heute vorletzter Urlaubstag und ein kurzer Abstecher nach Dortmund. Ich habe immer noch Ärzt:innen dort. Ab und an bedarf es eines Besuchs. Ich nutzte die Gelegenheit, um zwei, drei Dinge einzukaufen und einmal durch die Stadt zu bummeln.
Leser:innenfrage | Eine Frage aus der unverbindlichen Themen-Vorschlagsliste: „Kannst du mal was zu deinem beruflichen Werdegang schreiben? Wie ist es dazu gekommen, dass du jetzt da bist, wo du bist?“
Ein Muster, das sich durch meinen Lebenslauf zieht, ist: Gelegenheiten ergreifen. Ein zweites ist: Neugier. Ich bin ein recht furchtloser Mensch, der sich mehr von Chancen als von Bedenken leiten lässt. Ich mag Herausforderungen. In den vergangenen Monaten habe ich mich mehrmals gefragt, ob das immer schon so war oder ob das mit der Zeit gekommen ist. Ich glaube: Es war immer schon in mir. Vielleicht ist es Charakter, vielleicht die Gnade einer sicheren Kindheit, vielleicht das Geschenk, immer gefordert zu werden. Denn ich bin ein großer Mensch und war ein großes Kind, sah mit einem Jahr aus wie mit zweien, mit sechs Jahren wie acht und so fort – und ich wurde von meiner Umwelt so behandelt.
Als ich sechzehn war, sagten meine Eltern zu mir: „Sechs Wochen Sommerferien, sechs Wochen faulenzen – das gibt es nicht mehr. Entweder du machst ein Praktikum für deine Zukunft oder du gehst in eine Fabrik arbeiten.“ Ich entschied mich für ein Praktikum und heuerte bei der Lokalzeitung an. Lokalzeitung, das war damals noch was, in Zeiten, als es kein Internet gab. Ich schrieb über den Kinderferienspaß und die größte Sonnenblume des nördlichen Sauerlandes und stellte mich wohl insgesamt ganz gut an, denn ich wurde als freie Mitarbeiterin übernommen. Das blieb ich auch während des Studiums, übernahm an den Wochenenden Redakteursdienste, lernte, einigermaßen gute Bilder zu machen, übernahm Fotodienste und entwickelte Negative in der Dunkelkammer.
Ich war die Erste in meiner Familie, die Abitur gemacht und ein Studium aufgenommen hat (Italienisch, Medienwissenschaft, Sozialpsychologie). Im Studium konnten meine Eltern mir die Miete zahlen, für alles andere musste ich selbst sorgen. Ich arbeitete viel: am Wochenende als freie Mitarbeiterin bei der Zeitung, in der Woche gab ich Schüler:innen Englisch- und Latein-Nachhilfe und war als studentische Hilfskraft beschäftigt, in den Semesterferien arbeitete ich mal in einer Buchbinderei, mal in einer Kunststofffabrik oder baute Messestände auf.
Ungefähr 1999 wechselte ein Redakteur meiner Lokalzeitung ins Haupthaus des Verlages, der Funke Mediengruppe (seinerzeit noch WAZ Mediengruppe), und begann, Internet zu machen. Ich studierte schon und fand das interessant, rief ihn an und fragte, ob ich in den Semesterferien ein Praktikum bei ihm machen könne. Ich stellte mich ausreichend gut an und wurde als freie Mitarbeiterin übernommen. Wir bauten die Zeitungsauftritte der Mediengruppe auf – und die Infrastruktur im Hintergrund. Damals war alles grüne Wiese, es gab keine Konzepte, nur rudimentäre Content-Management-Systeme, wir brachten uns alles selbst bei. Mit dem 11. September 2001, Nine Eleven hatte ich eine unbefristete 20-Stunden-Stelle, auf der ich gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen die Onlineauftritte der Zeitungen weiterentwickelte und mit Inhalten bestückte. Die letzten eineinhalb Jahre meines Studiums arbeitete ich eine Woche und studierte eine Woche und wurde dennoch in de Regelstudienzeit fertig.
Mit dem Ende meines Studiums bot man mir einen Festvertrag an, aber ich wollte erst ein Volontariat machen, die grundständige Redakteursausbildung. Man strickte mir ein Digitalvolontariat, und ich wurde die erste Digitalvolontärin der WAZ Mediengruppe – mit Stationen bei der dpa infocom in Hamburg, der Digitaltochter der Deutschen Presseagentur, und der Thüringer Allgemeinen in Erfurt, bei denen ich jeweils einige Wochen verbrachte. Nach Ende der Ausbildung wurde ich Teamleiterin für aktuelle, überregionale Themen, die wir zentral aus Essen für alle Onlineauftritte der Funke-Zeitungen aufbereiteten. Gemeinsam mit meinem Team kümmerte ich mich um die Online-Berichterstattung von Bundestags- und Landtagswahlen, um Naturkatastrophen – zum Beispiel den Tsunami 2004 – und um andere nationale und internationale Ereignisse.
Nach zweieinhalb Jahren verließ ich Funke, um in die Wissenschaft zu gehen. Parallel zum Job hatte ich mich am Institut für Journalistik an der TU Dortmund beworben und angefangen, eine Doktorarbeit zu Innovation im Lokaljournalismus zu schreiben. Am Institut übernahm die Lehrredaktion Print – und zeitweise auch die Lehrredaktion Online. Auch am Institut gab es viel Umbruch und Entwicklung: Es war Bologna-Reform, die Umstellung von Diplom auf Bachelor und Master. Außerdem sorgten wir dafür, dass die Studierenden nicht mehr nur in einem Medium – Print, Radio, TV oder Online – ausgebildet wurden, sondern mehrmedial. Das erforderte große Umstrukturierungen. Wir veränderten die Ausbildungspläne, aber auch die Technik im Hintergrund, um medienunabhängige, journalistische Inhalteproduktion zu ermöglichen. Als Redaktionsleiterin wurde ich außerdem Chefredakteurin von Deutschlands größter Studierendenzeitung, eine Kooperation mit der (und da war sie wieder) WAZ Mediengruppe.
Ich war mit meiner Dissertation noch nicht ganz fertig, als sich alte Kollegen bei mir meldeten. Es gebe jetzt neuerdings solche tragbaren Geräte, Tablets – ob ich Lust habe, digitale Produktentwicklung bei Lensing Media zu machen. Ich sagte zu und arbeitete gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen daran, das Mobile Business von Lensing aufzubauen, gleichzeitig die digitalen Zeitungauftritte zu relaunchen und zahlreiche weitere Dinge aufzubauen, zum Beispiel Single-Sign-On-Lösungen, digitale Bezahlmodelle und innovative Werbeformate wie das REWE-Dinner. Auch hier gab es seinerzeit viel grüne Wiese: E-Paper, Konzepte für Apps … wir brachten uns vieles selbst bei – im Verbund mit anderen Verlagen und einem technischen Dienstleister. Parallel schrieb ich meine Diss zu Ende.
Nach knapp fünf Jahren verließ ich die Medienbranche und wechselte als Leiterin der Kundenentwicklung zu einer Strategieagentur. Gemeinsam mit meinem Team berieten wir mittelständische Unternehmen in Kommunikation und Veränderung, darunter Unternehmen aus IT, aus der Wohnungswirtschaft, der Kulturbranche und dem sozialen Bereich.
Nach dieser Station machte ich mich selbstständig. Ich hatte bis dato fast zwanzig Jahre in Veränderung und Digitalisierung gearbeitet, unzählige Vorhaben gesteuert, Strukturen aufgebaut, hatte sowohl lateral als auch disziplinarisch Projekte und Menschen geführt und viele Erfahrungen gesammelt, wie man erfolgreich Wandel gestaltet – und woran er scheitert. Seit knapp neun Jahren arbeite ich nun als selbstständige Unternehmensberaterin und begleite Organisationen. Ich bin Teil von längeren Beratungsprojekten, in denen ich gemeinsam mit den Leuten im Unternehmen Arbeitsweisen verändere, in denen ich vermittle und gestalte und Dinge, die stocken, in Bewegung bringe – und auch dafür sorge, dass sie nachhaltig zu Ende geführt werden. Ich moderiere als neutrale Instanz Workshops und Tagungen, gebe mein Wissen in Seminaren weiter und coache Führungskräfte (und manchnal auch Privatpersonen). In der Selbstständigkeit habe ich bislang unfassbar viel gelernt – dank meiner Kunden, ihrer Herausforderungen und durch Weiterbildungen. Letztere kann man auf meiner Website nachlesen, auch einige Kundenstimmen und Vorhaben, die ich begleitet habe.
Das waren nun viele Worte, und dennoch ist der Lebenslauf immer noch nicht vollständig. Denn nebenbei habe ich ja nicht nur die Dissertation zu Ende geschrieben, sondern auch ein Buch und noch ein Buch. Aber das ist dann vielleicht eine anderer Beitrag.
Schweine | Heute großer Ausflugstag in den Garten. Der Weihnachtsbaum liegt dort, der Wind hat ihn vor den Stall geweht. Die Schweine waren verzückt und hatten große Freude, zwischen den Ästen hindurchzulaufen und sich im Baum zu verstecken. Das anschließende Abendessen: The post „Wie ist es dazu gekommen, dass du jetzt da bist, wo du bist?“ first appeared on Draußen nur Kännchen.