Kolumne: Wie die innere-Kind-Regel Paaren hilft, dem Streit-Kreislauf zu entkommen

Das Leben ist oft ganz schön kompliziert. Zum Glück müssen wir da nicht allein durch. Diesmal: Beziehungstherapeut Oskar Holzberg über einander emotional erreichen.

Heftbox Brigitte Standard

Worum geht’s: "Das war natürlich nicht richtig von mir, dich so heftig vor allen zu kritisieren", sagt Julian. Urte nickt. "Ich war in dem Moment nur einfach so aufgebracht, weil ich mich von dir gar nicht gesehen gefühlt habe. Ich gebe mir wirklich Mühe in der letzten Zeit, nicht mehr so aufbrausend zu sein. Und wir sind doch meistens gut miteinander." Urte nickt wieder. Aber richtig froh sieht sie dabei nicht aus.

Wie aus dem Kreislauf der Gefühle entkommen?

Urte und Julian arbeiten bewusst daran, ihre Beziehung zu verbessern. Julian weiß, dass er in Konflikten laut und entwertend wird. Urte weiß, dass sie dann resigniert, schweigt und aus dem Kontakt geht. Und sie haben verstanden, dass sie im verzweifelten Versuch einander zu erreichen in einen Kreislauf geraten. Indem Julian umso lauter wird, je mehr Urte ausweicht. Und sie umso mehr ausweicht, je lauter er wird. Sie verstehen, wie sich ihr Verhalten für ihr Gegenüber anfühlt, und es tut ihnen leid, wenn sie einander verletzen. Sie entschuldigen sich. Es sollte doch dadurch besser werden. Doch sie stecken weiter fest. Denn sie erreichen einander trotz aller Mühen emotional nicht. Was ihr Verstand sagt, das kommt nicht im Gefühl an. Verständnis wird nicht als Mitgefühl erlebt. Einsichten nicht als wirkliche Zuwendung. Weil sie stets zu viele erklärende Worte finden.

Doch sobald unsere Gefühle verletzt werden, sind wir wie Kinder. Als abhängige Kinder mussten wir Wege finden, uns zu schützen. Wege, die wir unbewusst noch immer nutzen. Deshalb sprechen wir vom inneren Kind. Von Anteilen unserer Psyche, die sich damals gebildet haben. Wenn wir sie erreichen wollen, dann sollten wir einen Augenblick daran denken, wie wir mit einem Kind reden würden, dem wir wehgetan haben. Dann können wir verstehen, wie wir einander und unsere inneren Kinder emotional erreichen können. Nicht durch viele Worte und Erklärungen. Sondern indem wir einander in die Augen schauen, wie es einfühlsame Eltern mit ihren Kleinen tun würden. Und sorgsam darauf achten, dass unsere Worte ankommen. Indem wir unser Gefühl in einfachen Worten von Herz zu Herz transportieren.

Es kann so leicht sein

Wollen wir unsere Partner erreichen, dann müssen wir einfach und direkt sein. Wir wissen das. Denn wenn wir unsere Liebe äußern, tun wir genau das: Wir schauen uns in die Augen und sagen die berühmten drei Worte. Wenn wir also wie Urte und Julian unsere Konflikte klären wollen, sollten wir zunächst zwar schon erzählen, was wir erlebt haben. Aber um wieder zueinanderzufinden, um uns wieder zu verbinden, brauchen wir wenig Worte – und viel Gefühl.

Wenn sich jemand mit Beziehungen auskennt, dann er: Diplom-Psychologe Oskar Holzberg arbeitet als niedergelassener Psychotherapeut seit über 30 Jahren mit Paaren und schreibt darüber