Die Stunde Null: Trotz Homeoffice: Warum Maßanzüge populär bleiben
Die Deutschen kleiden sich immer informeller, doch Maßanzüge verkaufen sich nach wie vor gut. Ulrich Hesse vom Maßkonfektionär Cove über teure Meisterstücke – und Kunden, die wie Spione aussehen wollen
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Die Deutschen kleiden sich immer informeller, doch Maßanzüge verkaufen sich nach wie vor gut. Ulrich Hesse vom Maßkonfektionär Cove über teure Meisterstücke – und Kunden, die wie Spione aussehen wollen
In Büros wird immer weniger Anzug getragen, es gibt einen Trend zum Homeoffice. Wie groß ist da überhaupt noch das Interesse an Maßbekleidung?
ULRICH HESSE: Wenn wir auf den reinen Anzugmarkt schauen, dann stagniert das sicherlich in den letzten Jahren. Die Zahl der Anzüge, die über den Tisch gehen, ist sogar rückläufig, in Deutschland, aber auch in anderen westlichen Industrieländern. Unser Segment allerdings, also das der Maßbekleidung, wächst weiterhin. Und das seit 25 Jahren.
Sie werben mit dem Prädikat „Made in the EU“. Wie funktioniert das angesichts der hohen Lohnkosten?
Den wesentlichen Teil in der Maßkonfektion lassen wir in Polen fertigen. Es gibt aber auch eine Sparte, in der reine Maßschneider-Anzüge entstehen. Das machen wir in Düsseldorf bei uns im Atelier oder dort, wo wir die Möglichkeiten haben. Der Unterschied liegt in der Art, wie das Produkt angefertigt wird. Die Maßkonfektion ist eher industriell organisiert, mit Spezialmaschinen, in der in einer Reihenfertigung das Produkt entsteht. Die Maßschneiderei ist handwerklich organisiert: Das so genannte Meisterstück wird per Hand zugeschnitten, und der Kunde kommt nach einem ersten Prozess noch einmal zur Anprobe. Das Stück entsteht also sukzessive aus einer Hand.
Wer kauft den so etwas?
Es gibt Menschen, die es im Grunde immer so gewohnt waren und deren Schneider verstorben ist. Das ist der größere Teil. Es kommen aber auch einige, die das in Filmen gesehen haben, wo man sieht, wie der Anzug eines Gangsters oder Agenten beim Schneider vermessen wird. Zum Beispiel in Kingsman oder The Gentlemen. Da kommt dann die Jugend zu uns.
Sie lassen die Maßkonfektion in Polen machen. Bekommen Sie in Deutschland nicht die geeigneten Leute für diese Art von Arbeit?
In Deutschland gibt es leider kein Unternehmen mehr, das Maßkonfektion herstellen kann. Es fehlen die Fachkräfte. In Polen haben wir einen Betrieb gefunden. Das hat natürlich auch Kostengründe, aber es gibt dort auch ein unglaubliches Know-how.Homeoffice: „Der Zwang zu Präsenz ist das Gegenteil von Kultur“ - Capital.de
Welche Rolle spielen digitale Instrumente für Sie? Zum Beispiel beim Maßnehmen?
Wir haben das am Anfang auch gemacht – mit Digitalkameras oder 3D-Bodyscannern. Aber wir haben schnell festgestellt, dass Passformen subjektiv sind. Auch die besten Maßdaten führen nicht zu einem guten Ergebnis, wenn der Anzug nicht mit dem Kunden besprochen wurde und er ihn nicht anprobiert hat. Der eine will ein bisschen mehr Platz haben fürs Mittagessen, der andere sucht den Taucheranzug, also den knallengen Anzug. Man bespricht sich mit dem Fachmann, und daraus entsteht das passende Produkt. Das hat die Technik für uns nie leisten können.
Hören Sie in der neuen Folge von „Die Stunde Null“,
- wie Cove ausgerechnet im Dotcom-Boom entstand,
- warum Maßbekleidung in großen Kaufhäusern nicht funktioniert,
- was ein echter Maßanzug bei Cove kostet.