Politik: Was der VDA von Berlin und Brüssel fordert

VDA-Präsidentin Hildegard Müller fordert umfassende Veränderungen und Reformen mit Blick auf die politischen Entscheidungen in Berlin und Brüssel. Der Beitrag Politik: Was der VDA von Berlin und Brüssel fordert erschien zuerst auf Elektroauto-News.net.

Jan 21, 2025 - 15:02
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Politik: Was der VDA von Berlin und Brüssel fordert

VDA-Präsidentin Hildegard Müller hat in der Jahrespressekonferenz des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) umfassende Veränderungen und Reformen mit Blick auf die politischen Entscheidungen in Berlin und Brüssel gefordert: „2025 muss ein Jahr des Neustarts sein, um das Jahr der Trendwende zu werden. Das Jahr, das den Beginn eines zwingend notwendigen Mentalitätswandels und Politikwechsels markiert, um den Standort international wieder wettbewerbsfähig zu machen und Wachstum, Klimaschutz, Wohlstand und Arbeitsplätze zu garantieren“, so Müller.

Das Ziel der Industrie sei klar: „Die weltweit besten digitalen und klimaneutralen Produkte für die Mobilität der Zukunft anzubieten“, machte Müller deutlich und verwies dabei auch auf die globale Reputation der Marken der deutschen Automobilindustrie. „Wenn Wachstum und Wohlstand erhalten bleiben sollen, wenn der Respekt vor unserer Wirtschaftskraft insgesamt wieder größer werden soll“, dann brauche es jetzt „zwangsläufig eine wirtschaftliche Trendwende: Dafür brauchen wir eine Agenda für Innovation, Wachstum, Bürokratieabbau und Arbeitsplätze. Keine kleinen Schritte, sondern der große Wurf ist notwendig, politisch und ja auch gesellschaftlich – denn dies kann nur gemeinschaftlich gelingen.“

Mit Blick auf den international zunehmend nicht mehr wettbewerbsfähigen deutschen Standort erklärte Müller: „Es geht darum, wo die Zukunft unserer Industrie zu Hause sein wird. Wir sind fest entschlossen, die Zukunft der Mobilität zu entwickeln und zu exportieren: Allein von 2025 bis 2029 werden unsere Unternehmen rund 320 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung investieren. Hinzu kommen etwa 220 Milliarden Euro in Sachinvestitionen, insbesondere in die Werke. Die Investitionen der deutschen Automobilindustrie steigern sich damit noch einmal deutlich.“

Alarmierend sei, so die VDA-Präsidentin, dass inzwischen der Hauptanteil dieser Investitionen auf Engagements der deutschen Firmen im Ausland zurückzuführen sei: „Diese besorgniserregende Entwicklung ist umso gravierender, wenn man bedenkt, dass rund 70 Prozent der Arbeitsplätze unserer Industrie in Deutschland abhängig vom Export sind. Hier droht ein sehr großes Problem. Mit großen, noch unabsehbaren Folgen, für viele Regionen Deutschlands“, warnte Müller.

„Das Laden eines E-Autos muss billiger sein als Tanken“

Der deutsche Standort ist international nicht mehr wettbewerbsfähig, das zeigen alle internationalen Rankings und Datenerhebungen: „In Sachen Standort und Wettbewerbsfähigkeit gibt es also kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem“, so Müller. Eines der Probleme seien die hohen Energiepreise in Deutschland: „Die Gaspreise liegen um den Faktor drei über denen in China und sogar um den Faktor fünf über denen in den USA. Auch der Strompreis liegt in Deutschland derzeit bis zu dreimal höher als z. B. in den USA oder China. Dies ist ein massiver Wettbewerbsnachteil.“

Eine Reform der Netzentgelte könne dabei „nur ein Anfang sein“, so Müller. Für die Steigerung der Stromerzeugung brauche es – neben internationalen Energiepartnerschaften – „einen Kapazitätsmarkt, der technologieoffen ausgestaltet ist und auch neuen dezentralen Flexibilitäten wie Speichern und bidirektionalen E-Fahrzeugen offensteht. Strom muss günstiger werden – auch für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Es muss sichergestellt sein, dass Laden billiger ist als Tanken“, forderte Müller.

Eine strategische Energiepolitik bedeute auch, jetzt die Weichen für die Zukunft zu stellen, in der auch Wasserstoff eine entscheidende Rolle spielen werde. Allerdings leider nicht hierzulande, wenn nicht umgedacht wird, findet Müller: „Es hilft nicht, Transformation zu fordern und sie dann an kaum erfüllbare Bedingungen zu knüpfen. Auch hier braucht es den notwendigen Mentalitätswandel. Nirgends auf der Welt muss Wasserstoff mit so vielen Auflagen wie bei uns erzeugt werden. Die bisherige Politik verunmöglicht ihre eigenen Forderungen.“

„Andere Regionen ziehen an uns vorbei“

Ein weiterer Punkt, bei dem Deutschland international abgehängt wurde, ist die Digitalisierung: „Uns fehlt nicht nur die notwendige Infrastruktur in Deutschland, wir haben zudem auf deutscher und europäischer Ebene zunehmend eine Gesetzgebung, die alles ausdefinieren will, die jeden Einzelfall vorher durchregulieren und jede Konstellation berücksichtigen will. Die Folge: Unsere Unternehmen sind in Deutschland und Europa quasi auf Dauer in Wartestellung, während andere Regionen an uns vorbeiziehen. Es ist ein Wettbewerbsnachteil, alles vorab regulieren zu wollen“. Auch hier gelte, so Müller: „Es braucht einen Mentalitätswandel und Politikwechsel.“

Deutschland habe sehr gute Grundlagen auch für die digitalen Geschäftsmodelle der Zukunft. Und „zweifellos“ sicher sei, dass KI eine Schlüsseltechnologie der Automobilindustrie sein werde. „Deswegen fordern wir so vehement eine praxistaugliche und innovationsfördernde Umsetzung der jeweiligen Gesetze, insbesondere auch des AI Acts, damit wir unsere solide Grundlage in Sachen KI auch in die breite Anwendung bringen können. Mit Blick auf die vielfältigen Entwicklungen muss die kommende Regierung eine Neuauflage ihrer KI-Strategie entwickeln – und mit konkreten Fördermaßnahmen unterlegen, damit wir ein führender KI-Standort werden können“, so Müller.

„Wir brauchen eine Prämie für Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung“

Ein zweifelhafter „Erfolg“ indes: „Im internationalen Vergleich liegt Deutschland bei der Steuer- und Bürokratiebelastung an der Spitze. Deutschland ist immer nur dann auf einem Podiumsplatz, wenn es um Belastung, Regulierung und Auflagen geht“, moniert Müller. Auch die Unternehmenssteuer sei zu hoch. „Egal, wie die nächste Bundesregierung aussieht, hier muss sie aktiv werden“, so Müller. Wer jetzt noch von Steuererhöhungen oder zusätzlichen Steuerbelastungen spricht, habe die Dramatik nicht verstanden. „Das wäre ein völlig falsches Signal und würde dringend benötigte Investitionen sowie den Erhalt von Wertschöpfung und Arbeitsplätzen in Deutschland weiter gefährden. Stattdessen braucht es vielmehr die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags, bessere Abschreibungsbedingungen, eine Flexibilisierung der Verlustrechnung und die Einführung einer Investitionsprämie für Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung.“

Mit Blick auf die zunehmenden bürokratischen Belastungen reiche es nicht, immer nur über Bürokratieabbau zu reden. „Konkrete Vorschläge liegen auf dem Tisch. Es muss umgesetzt werden. Und das nicht nur in Deutschland, sondern auch in Brüssel – hier entstehen inzwischen die meisten neuen Bürokratiekosten“, so die VDA-Präsidentin. Bürokratie abzubauen sei wichtig, keine neue aufzubauen, sei genauso wichtig. Es brauche einen stärkeren Fokus auf möglichst unbürokratische Gesetzgebung. „Praxischecks und Digitalchecks der Maßnahmen sollten als verpflichtende Elemente der Gesetzgebung sowohl in Berlin als auch in Brüssel eingeführt werden. Und zusätzlich gilt es, mehr Eigenverantwortung zu ermöglichen, durch den Abbau von Berichtspunkten“, so Müller.

„Wenn wir die Zulieferer verlieren, verlieren wir an Innovationskraft“

Gerade der Mittelstand leidet zunehmend unter den bürokratischen Auflagen: „Der Mittelstand – die einzigartige Dichte von Zuliefern – ist ein zentraler Faktor für die Innovationsfähigkeit und stabile Arbeitsplätze unseres Landes. Wenn wir die Zulieferer verlieren, verlieren wir an Innovationskraft“, warnt Müller. Das gelte beispielsweise gerade auch mit Blick auf die immer schwerer werdenden Finanzierungsbedingungen für mittelständische Unternehmen. „Hier ist Berlin gefordert, sich in Brüssel für eine entsprechende Anpassung der EU-Taxonomie und Bankenregulierung einzubringen.“

Wie bei allen Themen gelte auch hier, dass Deutschland eine starke Stimme in Brüssel brauche, um dort für eine bürokratiearme und praxistaugliche europäische Gesetzgebung zu sorgen. „EU-Rechtsakte sollten stets nur 1:1 in nationales Recht umgesetzt werden. Nationale zusätzliche oder vorgeschaltete Gesetzgebung lehnen wir ab“, so Müller.

„Mehr EU wagen“

Mit Blick auf die geopolitischen Veränderungen und Herausforderungen forderte Müller: „Das Leitmotiv ist ein einfaches: Mehr EU wagen, unsere Wirtschaftsmacht strategisch gemeinsam ausbauen, unsere internationale Relevanz vor dem Hintergrund geopolitischer Veränderungen sichern. Das heißt: Mehr Zusammenarbeit, mehr strategisch ausgerichtete und aufeinander abgestimmte Industrie- und auch Innovationspolitik. Mehr Pragmatismus. Und Geo- und Wirtschaftspolitik zusammendenken“, findet die VDA-Präsidentin. Dabei gelte: „Mehr EU heißt nicht mehr Bürokratie und Klein-Klein. Es geht um die großen Fragen“, so Müller. Konkret forderte sie eine europäische Energie- und Kapitalmarktunion, ein Maximum an internationalen Partnerschaften (Handelsabkommen, Rohstoffabkommen, Energiepartnerschaften) und eine Stärkung des europäischen Binnenmarktes.

Müller zeigte sich zuversichtlich, dass die wirtschaftliche Trendwende gelingen kann: „Jetzt muss die Change ergriffen werden, zurück zu einer wirtschaftsfreundlichen, leistungsorientierten Politik zu finden, die Innovationen ,Made in Germany‘ fördert.“

Deutschland verfügt über einen riesigen Schatz an Können und Wissen: „Wir haben die besten Köpfe der Welt in vielen Bereichen, sind bei Patenten und Innovationen vielfach führend. Wir haben die Leidenschaft und Kreativität, die es braucht. Wir haben auch mit Blick auf neue Felder wie KI unendlich viel Potenzial – auch und gerade in Verbindung mit unserer Industrie. Wir wollen diese Chance nutzen – und dafür braucht es jetzt eine politische Entfesselung, in Berlin und in Brüssel“, so Müller.

Quelle: VDA – Pressemitteilung vom 21.01.2025

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