Liefern nur noch in der Großstadt: Was Billas Rückzug in Österreich für Rewe in Deutschland bedeutet

Billa kappt sein Lieferdienst-Versprechen in Österreich außerhalb der Metropole Wien. Stattdessen gibt es: Quick Commerce in kleineren Städten, Abholung überall sonst. Ein Modell, das Rewe auch hierzulande reizen könnte? Potenzielle Strukturen wären schon da. Der Beitrag Liefern nur noch in der Großstadt: Was Billas Rückzug in Österreich für Rewe in Deutschland bedeutet erschien zuerst auf Supermarktblog.

Jan 20, 2025 - 17:49
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Liefern nur noch in der Großstadt: Was Billas Rückzug in Österreich für Rewe in Deutschland bedeutet
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Lebensmittel liefern: ja, aber nicht mehr für alle? Ende November hat die Supermarktkette Billa eine bemerkenswerte Kehrtwende vollzogen: Nach neun Jahren stellte der Marktführer im österreichischen Online-Lebensmittelhandel die flächendeckende Hauszustellung in weiten Teilen des Landes ein.

Seitdem werden nur noch Haushalte in Wien sowie Teile Niederösterreichs und des Burgenlands aus den beiden Wiener Großlagern beliefert. Im Rest des Landes müssen Online-Einkäufe künftig von den Kund:innen selbst in den Märkten abgeholt werden (Click & Collect) oder kommen per Quick Commerce nachhause.

Und die Frage ist: Könnte das, was Rewe da im Nachbarland ausprobiert, mittelfristig Modellcharakter für Deutschland haben?

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Die Begründung für den Teil-Rückzug in Österreich ist schlicht: „Die Nachfrage im E-Commerce ist am Land nicht eingebrochen, aber auch nicht weiter gewachsen. Wir sehen hier einfach nicht das gleiche Wachstumspotenzial wie in Wien“, erklärte Billa-Online-Chef David Renker, der zuvor bei Rewe Deutschland am Aufbau des dortigen Online-Shops beteiligt war, im Fachmagazin „Cash“ (Abo-Text).

„Jede Stadt, jedes Dorf und jede Gemeinde Österreichs“ wird von Billa seit kurzem nicht mehr beliefert; Foto: Smb

Neue Drei-Säulen-Strategie

78 Millionen Euro setzte Billa 2023 im Onlinehandel um – bei einem Bruttogesamtumsatz der Rewe-Töchter in Österreich von 10,45 Milliarden Euro.

Noch im Frühjahr 2024 hatte Rewe-International-Konzernchef Marcel Haraszti erklärt, es gebe kurzfristig kein Potenzial, mit dem Onlinegeschäft Gewinn zu machen. Gleichzeitig wäre es „fatal“, diesen Vertriebsweg einzustellen. Nun hat man in der Zentrale in Wiener Neustadt offenbar entschieden, dass es noch fataler wäre, flächendeckend an dem Geschäftsmodell festzuhalten.

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Umso interessanter ist die neue Drei-Säulen-Strategie:

  • die Belieferung mit eigener Logistik nur noch im Großraum Wien, von wo aus man immerhin ein Drittel der österreichischen Bevölkerung erreicht;
  • Quick Commerce über die Plattform des Partners Foodora in Wien, Graz, Linz, Traun, Innsbruck und bald auch Salzburg;
  • und für den Rest des Landes der Ausbau von Click & Collect: Bis Jahresende sollen alle 140 Billa-Plus-Filialen mit eigenen Abholschaltern und Parkplätzen ausgestattet sein.

Manches spricht dafür, dass es sich dabei um eine österreichspezifische Lösung handelt. Die Handelsdichte in Österreich ist noch höher als in Deutschland, fast jede:r hat einen Supermarkt in der Nähe – eine „Versorgungslücke“ existiert hier kaum.

Bezeichnenderweise traut sich Billa sogar, ganze Regionen aufzugeben – offenbar in der Gewissheit, dass kein Wettbewerber umfassend davon profitieren kann – weder Stationär-Marktführer Spar, der mit seinem Interspar Onlineshop aktuell ebenfalls auf Wien konzentriert ist, aber auch in Teilen Niederösterreichs, im Burgenland und in Salzburg liefert; noch Herausforderer Gurkerl von der Rohlik Group, wo man sich bislang ebenfalls auf Wien und Umgebung fokussiert.


Digitalaffin, aber kostenscheu

Stattdessen setzt Billa darauf, dass die bisherige Landkundschaft zwar durchaus digitalaffin ist – aber eben nicht bereit, für eine Lieferung extra zu zahlen. Click & Collect erscheint da als okayer Kompromiss zwischen digitaler Convenience und wirtschaftlicher Realität. (Der aber auch so seine Tücken hat, siehe Supermarktblog.)

Das Risiko, den Markt dadurch für andere Lieferdienstmodelle wie die Edeka-Beteiligung Picnic zu öffnen, die eine feste Routenplanung nutzt, um konsequent kostenfrei zu liefern und sich vorrangig an Kund:innen am Rande großer Städte richtet, scheint man bei Rewe International für überschaubar zu halten. Am Ende benötigt auch Picnic ein relativ großes Einzugsgebiet und eine hohe Kund:innendichte, um mittelfristig wirtschaftlich arbeiten zu können.

Was bedeutet das nun für den deutschen Markt? Die wirtschaftlichen Herausforderungen sind durchaus vergleichbar: Auch hierzulande dürfte das Lebensmittel-Liefergeschäft vor allem durch hohe Auslastung refinanzierbar sein, die außerhalb der Metropolen aber mit Fragezeichen versehen ist. Die Corona-Sonderkonjunktur ist rum, die Teuerung tut ihr Übriges.

Flink und Lieferando stünden bereit

Zwar hat Rewe mit 16 deutschen Food Fulfillment Centern eine deutlich größere Infrastruktur aufgebaut als die österreichische Schwester. Diese Großlager sind strategisch in Ballungsräumen platziert und erreichen nach Unternehmensangaben rund 90 Prozent der deutschen Haushalte. Allerdings heißt „erreichen“ noch lange nicht „wirtschaftlich beliefern können“.

Auch deshalb ist es nicht ausgeschlossen, dass man in Köln langfristig versucht sein könnte, die Strategie anzupassen.

Das könnte auch eine Erklärung dafür sein, weshalb man bis heute an der Beteiligung am letzten verbliebenen Quick-Commerce-Dienst Flink festhält, der in zahlreichen mittelgroßen Städten aktiv ist. Kürzlich hatte Rewe zudem eine enge Partnerschaft mit Lieferando bekannt gegeben, über dessen Plattform Nutzer:innen Lebensmittel bei „Rewe express“ bestellen können (wobei diese Einkäufe in den Darkstores von Flink kommissioniert und von Flink geliefert werden, siehe Supermarktblog).

Foto [M]: Screenshot Lieferando/Smb

Lieferando ist als Marke landesweit aktiv, bekannt und hat inzwischen weitreichende Ambitionen entwickelt, im Sofortliefermarkt auch außerhalb des klassischen Gastronomie-Betriebs Fuß zu fassen (siehe Supermarktblog).

„Rewe express“ statt Rewe Lieferservice?

Sollte man in Köln mittelfristig die Erfahrung machen, dass Lebensmittel-Bestellungen in bestimmten Regionen über die Logistikpartner gut angenommen werden, könnte das zu dem Entschluss verleiten, die eigene Logistik dort ebenfalls einzustellen. Und sich dafür entweder Flink und dessen Darkstore-Strukturen in Gänze einzuverleiben – oder Digital-Bestellungen auch hierzulande (so wie früher schon einmal) ortsbezogen in bestehenden Märkten zu kommissionieren und über Lieferando zustellen zu lassen.

In Berlin, Köln und München käme dann weiterhin wie gewohnt der Rewe Lieferservice. Und in Bremen, Krefeld und Regensburg womöglich „Rewe express“.

Das wäre dann in der Tat eine kleine Revolution im Lebensmittel-E-Commerce. Nur eben eine andere, als die Branche sie sich jahrelang erträumt hat.

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