Harald Oberhofer: Ökonom: „Trumps Zölle gegen Kanada und Mexiko sind als Symbol verheerend“

Migration, Energie, Zölle – US-Präsident Donald Trump hat zum Start etliche Dekrete unterschrieben, die die Welt verändern werden. Wirtschaftlich sinnvoll sind sie allerdings nicht unbedingt, sagt Ökonom Oberhofer

Jan 21, 2025 - 19:48
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Harald Oberhofer: Ökonom: „Trumps Zölle gegen Kanada und Mexiko sind als Symbol verheerend“

Migration, Energie, Zölle – US-Präsident Donald Trump hat zum Start etliche Dekrete unterschrieben, die die Welt verändern werden. Wirtschaftlich sinnvoll sind sie allerdings nicht unbedingt, sagt Ökonom Oberhofer

Capital: Herr Oberhofer, Donald Trump hat zum Amtsantritt zahlreiche Maßnahmen angeordnet, die die Weltwirtschaft bewegen werden. Als Ökonom: Wie schlimm war der Inaugurations-Tag für Europa?
HARALD OBERHOFER: Ich hoffe doch, dass niemand hierzulande überrascht war. Im Wesentlichen verlief der Tag ja wie erwartet. Donald Trump hat nur umgesetzt, was er im Wahlkampf versprochen hat. 

Hat Sie überrascht, mit welchen Vorhaben Trump angefangen hat? Daraus lassen sich ja auch Prioritäten ableiten.
Nein, nicht wirklich. Es war klar, dass er mit der Migrationsfrage beginnt und hier ein scharfes Dekret formuliert. Und dass er kein Freund vom Pariser Klimaabkommen und der aktuellen Handelspolitik ist, ist auch nichts Neues.

Die europäischen Börsen haben gestern trotzdem positiv reagiert, weil Trump zunächst nur Zölle gegen Kanada und Mexiko ab Februar angekündigt hat – nicht gegen Europa. Woher kommt dann der Optimismus?
Das weiß ich nicht. Ich würde erst einmal davon ausgehen, dass Zölle nur aufgeschoben sind. Zölle gegen Europa bleiben aber eine offene Frage. Es scheint trotzdem so, dass wir aktuell ein wenig aus dem Fokus geraten sind. Die Zölle gegen Kanada und Mexiko sind als Symbol aber verheerend.

Harald Oberhofer ist Ökonom am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) und seit 2015 in der Forschungsgruppe „Industrie-, Innovations- und internationale Ökonomie“ tätig. Er ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Wirtschaftsuniversität Wien. In seinem Heimatland Österreich ist er auch als „Ökonom mit Hut“ bekannt.
Harald Oberhofer ist Ökonom am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) und seit 2015 in der Forschungsgruppe „Industrie-, Innovations- und internationale Ökonomie“ tätig. Er ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Wirtschaftsuniversität Wien. In seinem Heimatland Österreich ist er auch als „Ökonom mit Hut“ bekannt.
© Alexander Müller / WIFO

Warum?
Weil sie gegen Länder eingeführt werden, mit denen die USA Freihandelsabkommen haben. Mexiko und Kanada sind nicht irgendwer, sondern die beiden wichtigsten Importländer für die USA. 25 Prozent Strafzölle würden die amerikanischen Konsumenten massiv belasten. Es ist aber vielmehr das verheerende Symbol, dass nicht einmal Handelsabkommen vor Donald Trump schützen. Europa kann daraus ableiten, dass Trump sofort mit Zöllen drohen wird, wenn ihm etwas nicht passt. Handelspolitik wird ein zentrales Druckmittel in allen politischen Fragen werden. Das sieht man schon an Mexiko und Kanada, wo Trump die Zölle ja mit den vermeintlichen Migrations- und Drogenströmen begründet. Das hat nichts mit Handelspolitik zu tun.

Oft genug redet Trump dann aber doch von der Handelspolitik, und kritisiert hier vor allem unausgeglichene Handelsbilanzen. Er findet es schlicht falsch, wenn ein Land mehr ins andere exportiert, als es von diesem importiert. Deshalb seien Zölle notwendig. Hat er da einen Punkt?
Nein, volkswirtschaftlich macht das keinen Sinn. Es hilft aber nichts, weil Trump das eben so sieht, und wir damit umgehen müssen. Er ist ein Geschäftsmann, der im Muster „Einer gewinnt, einer verliert“, denkt. Deshalb interpretiert er ein Handelsbilanzdefizit als Verlust für die USA und schaut eben nicht auf wesentlich relevantere Kennzahlen wie zum Beispiel die Leistungsbilanz. 

Das müssen Sie erklären.
In die Handelsbilanz fließen nur die exportierten und importierten Waren. Wenn Deutschland also ein Auto in die USA verkauft oder seinerseits Öl aus den USA bezieht, dann fließt das in die Handelsbilanz. Dabei wird aber der Dienstleistungssektor unterschlagen. Amerikanische Big Techs wie Meta oder Alphabet, klassische Dienstleister, machen hohe Gewinne in der EU, die nicht in die Handelsbilanz fließen, sondern nur in die Leistungsbilanz. Schaut man sich diese Zahl an, ist das Defizit gar nicht mehr so groß. Nach der klassischen Logik von David Ricardo wäre der Rest dann auch nicht weiter schlimm, weil sich einzelne Länder eben auf ihre Stärken spezialisiert haben. Das ist die klassische Arbeitsteilung, von der am Ende alle profitieren. Nur passt das leider nicht in das Weltbild von Donald Trump, wonach nur greifbare Produkte echte Wirtschaftsleistung sind. Deshalb zielen ja auch so viele von Trumps Maßnahmen auf den Industriebereich, zum Beispiel der Ausstieg aus der globalen Mindestbesteuerung.

20-01-25 TrumpTrade

Ein Punkt, für den sich die Bundesregierung bei der Einführung 2021 noch massiv gerühmt hat.
Ja. Der Ausstieg ist das klare Signal, dass Trump einen Standortwettbewerb zwischen den Industriestaaten führen will. Man muss das aber vielmehr als Teilmaßnahme eines großen Pakets sehen, um alte Industrien zurück ins Land zu holen. 

Wie kommen Sie darauf?
Die Steuerlast ist sicher ein Grund, warum Unternehmen sich ansiedeln. Aber wichtig ist auch die Ankündigung, dass Unternehmen ab einem bestimmten Investitionsvolumen keine bürokratischen Hürden mehr in den Weg gelegt bekommen. Das ist gerade für die energie- und kapitalintensive Industrie ein wesentlicher Punkt. Er möchte mehr Wertschöpfung vom Rest der Welt in die USA ziehen und nutzt dafür unter anderem die Steuerpolitik.

Verzettelt er sich damit nicht? Die Wachstumstreiber der USA waren in den vergangenen Jahren vor allem die hochinnovativen Digitalkonzerne.
Möglich. Zu einem gewissen Grad ist das aber die kurzfristige Perspektive der Politik, die an Wiederwahlen interessiert ist. Donald Trump kann zwar nach dem aktuellen Recht nicht noch einmal antreten. Aber er bedient letztlich nur die Bedürfnisse seiner Wählerinnen und Wähler, die unter den Friktionen des Strukturwandels leiden – gerade in alten, heruntergewirtschafteten Industrieregionen wie Michigan. Es lässt sich zwar leicht sagen, dass die Menschen dort in den gut laufenden Dienstleistungssektor wechseln könnten. In der Realität tun sich aber viele wahnsinnig schwer, weil das mit Umschulungen und Anstrengungen verbunden ist. Sie projizieren ihre Hoffnungen nun in Donald Trump, der für die alte Industrie steht. Darüber liegt natürlich noch der globale Trend, alles Mögliche wieder im eigenen Land zu produzieren. Da unterscheiden sich die USA und Deutschland gar nicht so sehr.

20-01-25 Kommentar Trump-Rede

Manche Ökonomen blicken relativ gelassen auf den angezettelten Handelsstreit von Donald Trump, weil viele der Maßnahmen gar nicht den gewünschten Effekt haben werden. Bei Strafzöllen etwa würde der Dollar aufwerten, was wiederum Importe in die USA günstiger macht. Ein Effekt frisst also den anderen auf. Sehen Sie das auch so, dass viele Maßnahmen weniger bedrohlich sind als dargestellt?
Die Gefahr besteht nicht in der einzelnen Maßnahme, sondern darin, dass sich das ganze Thema auswächst. Kanada und Mexiko können die Strafzölle natürlich nicht akzeptieren und werden reagieren. Der Konflikt wird sich also perspektivisch hochschaukeln. Und irgendwann wird man dann doch in ein System kommen, in dem Zölle spürbar werden. Am Ende wird das aber wohl vor allem die Inflation in den USA anheizen, weil die Produktionskosten durch höhere Importpreise steigen. Zahlen müssen das die amerikanischen Konsumenten.

In anderen Worten: Trump ist das Inflationsgespenst, für das er auch schon im Wahlkampf gehalten wurde?
Wenn die Handelspolitik so aggressiv ist wie angekündigt, dann wird es mindestens kurz- bis mittelfristig so sein. Die langfristige Idee ist, dass man Importe durch US-Produktion ersetzt. So stellt sich Trump das jedenfalls vor. Da stellen sich Ökonomen viele Fragezeichen, zumal er gleichzeitig noch die illegale Migration eindämmen will.

Eine der ersten Maßnahmen zielte gegen illegale Einwanderer in die USA, die Trump abschieben will. Können sich die USA das überhaupt leisten?
Ich will das sozialpolitisch nicht bewerten. Volkswirtschaft würden die USA zunächst abertausende Menschen im Niedriglohnsektor verlieren, zum Beispiel in der Ernte und Pflege. Das wäre ein geringeres Problem, wenn gleichzeitig hohe Arbeitslosigkeit im Land herrscht. Aber die USA stehen bei etwa vier Prozent. Es ist also nicht so, dass sie die Lücke ohne Weiteres füllen könnten – geschweige denn die ganzen neuen Stellen, die Trump ja noch im Industriesektor zurückholen möchte. Mir scheint jedenfalls, dass Trump diese Menschen nicht ohne Weiteres außer Landes bringen lassen kann, ohne Probleme in gewissen Sektoren hervorzurufen.

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