Wir wir Erinnerungen verzerren: Diese zwei Faktoren bestimmen, ob du deine Beziehung positiv oder negativ bewertest

Erinnerungen können trügerisch sein. Die "Peak-End"-Regel erklärt, warum das so ist  – und welche Faktoren beeinflussen, wie wir unsere Beziehungen wahrnehmen.   

Jan 19, 2025 - 14:04
Wir wir Erinnerungen verzerren: Diese zwei Faktoren bestimmen, ob du deine Beziehung positiv oder negativ bewertest

Erinnerungen können trügerisch sein. Die "Peak-End"-Regel erklärt, warum das so ist  – und welche Faktoren beeinflussen, wie wir unsere Beziehungen wahrnehmen. 

 

Stell dir vor, du hast gerade zwei Wochen Urlaub gemacht und 13 unvergessliche Tage erlebt, nur der letzte Tag war kein guter. Vielleicht hast du dich mit deinem Partner oder deiner Partnerin gestritten, du hattest schlechte Laune, weil es dir schon vor dem Alltag graut oder dein Flug wurde gecancelt und die Neu-Planung der Abreise hat dir den letzten Tag verdorben. Es kann dann schnell passieren, dass du den gesamten Urlaub negativer bewertest, als er eigentlich war, eben weil der letzte Tag so schlecht in Erinnerung blieb. 

Der Psychologe und Nobelpreisträger Daniel Kahneman nennt dieses Phänomen die "Peak-end rule" (Deutsch: Höhepunkt-Ende-Regel). Er fand heraus, dass die allgemeine Zufriedenheit der Menschen mit einem Erlebnis maßgeblich von zwei Faktoren beeinflusst werden kann: dem intensivsten Moment und dem Ende des Erlebnisses. Eine Erfahrung wird demnach nicht nach dem Durchschnittswert eines jeden Moments beurteilt, sondern vor allem durch die besonders positiv oder negativ wahrgenommenen sowie die abschließenden Momente geprägt. 

Peak-End-Regel: So wirkt sie sich auf deine Beziehungen aus

Diese Kahneman'sche Regel kann nicht nur auf Erlebnisse, sondern ebenso gut auf Beziehungen zwischen zwei oder mehreren Menschen angewendet werden. Wenn eine gemeinsame Aktivität abgeschlossen ist, können sich die meisten Menschen am ehesten an die schönsten Momente erinnern und an das Ende. Das gilt tatsächlich für Zeitabschnitte und gemeinsame Erfahrungen innerhalb der Beziehung, aber auch für eine komplett abgeschlossene Partnerschaft. Höhen und Endpunkte seien zwar kraftvoll, so Kahneman, sie können jedoch das Gesamtbild verzerren und so beeinflussen, wie wir unsere Beziehungen in ihrer Gesamtheit wahrnehmen. 

Nehmen wir mal an, du bist gerade unzufrieden in deiner Beziehung und schwelgst in Erinnerungen. Dann kommen dir vermutlich romantische, emotionale Momente wie das erste "Ich liebe dich" oder ein besonders schöner gemeinsamer Urlaub in den Kopf. Neben diesen Höhepunkten, die wichtige Meilensteine in einer Beziehung darstellen, erinnern sich die meisten Menschen auch an die Endpunkte der Momente. Insbesondere, wenn ein Ereignis mit einem ungelösten Konflikt, im Streit oder Verletzung endet, kann es schnell passieren, dass positive Erinnerungen überschattet werden. Manchmal wirkt die Beziehung insgesamt dann weniger erfüllend, obwohl es mit Sicherheit viele schöne gemeinsame Erfahrungen gab – und noch geben wird. 

Diese Faktoren bestimmen, wie du deine Beziehungen bewertest 

  1. Erinnerungen 

    Unser Gehirn ist nicht verlässlich, wenn es um Erinnerungen geht. Im "Journal of Experimental Psychology" (2023) wurde eine Studie veröffentlicht, die diese Annahme stützt. Unser Gedächtnis passt sich tatsächlich an Ereignisse an, wenn sie von der von uns erwarteten Struktur abweichen. Einfacher ausgedrückt hindert uns unser Bedürfnis nach logischen und vorhersehbaren Mustern daran, Erinnerungen an die guten Zeiten zu bewahren, wenn sie durch unangenehme oder unerwartete Momente gestört werden. Ein wunderbarer Geburtstag, der jedoch von einem heftigen Streitgespräch unterbrochen wird, kann uns höchstwahrscheinlich trotzdem in guter Erinnerung bleiben, da unser Gehirn den Störmoment nach einiger Zeit einfach ausblendet. 

  2. Erwartungen 

    Insbesondere in Liebesbeziehung kann sich schnell eine unrealistische Erwartungshaltung an den Partner oder die Partnerin einstellen. Denn die besonders romantischen Momente in der Kennenlernphase – das Bauchkribbeln und die Aufregung vor Treffen – werden im Laufe der Zeit vom Alltag, Routinen – und auch Auseinandersetzungen abgelöst. Das ist ganz normal, denn eine echte Partnerschaft definiert sich vor allem durch Vertrauen und Stabilität, sie ist gar nicht dazu gedacht, dauerhaft aufregend zu sein. Dennoch können die Euphorie-Momente zu Beginn einer Beziehung die Messlatte für zukünftige Erfahrungen hochlegen. Wenn diese dann nicht wie gewünscht eintreten, stellt sich schnell Enttäuschung ein. 

  3. Endpunkte oder Trennungen

    Wenn wir auf verschiedene Phasen oder Ereignisse innerhalb unserer Beziehung zurückblicken, dann sind es oft die Endpunkte dieser, die im Kopf bleiben, die die Gesamtwahrnehmung verzerren und unsere Zufriedenheit beeinflussen können. Bleibt uns der Abschluss eines prägenden Zeitabschnitts positiv in Erinnerung, bewerten wir die gesamte Situation im Nachhinein eher positiv – und umgekehrt. Auch Trennungen beeinflussen fast immer, wie wir eine Ex-Beziehung bewerten. Wird eine Partnerschaft beispielsweise mit Betrug und Verletzung geschlossen, überschattet das schmerzhafte Ende womöglich die schönen und innigen Momente. Personen, die so enttäuscht wurden, fällt es meist schwer, eine neutrale Sicht auf die ganze Beziehung zu wahren – verständlicherweise.

Die Peak-End-Regel macht deutlich, dass unser Gehirn besonders auf Höhepunkte, egal ob gute oder schlechte, und Enden anspringt. Wenn wir also mal wieder enttäuscht sind, weil Erwartungen, die wir an unseren Partner oder unsere Partnerin hatten, nicht eingehalten wurden, wir uns vielleicht sogar die Honeymoon-Phase zurückwünschen, können wir uns zumindest bewusst machen, dass auch diese Erinnerungen nicht immer der hundertprozentigen Realität entsprechen. Unser Gehirn liebt eben Intensität und Abschluss und verzerrt daher gerne das Gesamtbild. Daher lohnt es sich, abgespeicherte Ereignisse immer mal wieder gedanklich zu überprüfen und die, die wir uns eins zu eins bewahren wollen, aufzuschreiben.