Die NachDenkSeiten als „nützlicher Idiot“ für Assad & Putin
Dass das inzwischen gestürzte Assad-Regime in Syrien 2018 in Duma einen Giftgasangriff verübte, ist inzwischen unzweifelhaft bewiesen. Die Lügen von Syrien und Russland sind aufgeflogen, nachdem die Zeugen ohne Angst endlich die Wahrheit sagen dürfen. Der Blog Nachdenkseiten leugnete den Angriff fleißig und relativierte die Kriegsverbrechen. So wurden sie jetzt erneut als Propagandamedium entlarvt. Es… Weiterlesen Die NachDenkSeiten als „nützlicher Idiot“ für Assad & Putin The post Die NachDenkSeiten als „nützlicher Idiot“ für Assad & Putin appeared first on Volksverpetzer.
Dass das inzwischen gestürzte Assad-Regime in Syrien 2018 in Duma einen Giftgasangriff verübte, ist inzwischen unzweifelhaft bewiesen. Die Lügen von Syrien und Russland sind aufgeflogen, nachdem die Zeugen ohne Angst endlich die Wahrheit sagen dürfen. Der Blog Nachdenkseiten leugnete den Angriff fleißig und relativierte die Kriegsverbrechen. So wurden sie jetzt erneut als Propagandamedium entlarvt.
Es war die erste Syrien-Reise der Nahost-Korrespondentin Karin Leukefeld nach dem Sturz des Diktators Baschar al Assad – und ihre Pointe ist bitter. „Hurieh, Freiheit, jubeln die Menschen. Die Freiheit des Landes, die Souveränität Syriens ist schon verkauft“, endet Leukefelds Bericht für die NachDenkSeiten, einen auch bei anderen Themen – Stichworte: Kreml-Propaganda, Corona-Verharmlosung, AfD-Sympathien – verschwörungsideologischen Blog. Er gibt einer Autorin Reichweite, die bei etablierten Medien keine Abnehmer mehr findet.
Leukefeld verteidigte das Assad-Regime
Seit Jahren schürte Leukefeld im Dienst der NachDenkSeiten Zweifel daran, dass der Giftgasangriff im April 2018 im syrischen Duma, einem Vorort von Damaskus, auf das Konto des Assad-Regimes geht. Damals waren in der von Rebellen gehaltenen Stadt laut UN-Angaben 49 Menschen getötet und rund 650 verletzt worden. Über „Verleumdung statt Aufklärung“ schrieb die Journalistin in dem Blog und einen „angeblichen Giftgasangriff der syrischen Armee“. Ein im Mai 2020 erschienener Text war überschrieben: „Weitere Manipulationen um ,Giftgas-Angriff‘ in Syrien: Falsch informiert oder bewusst gelogen?“ Einem Bericht der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) zu Duma sei kein Glauben zu schenken, betonte Leukefeld in einer Artikelserie.
Jetzt, nach dem Sturz des Assad-Regimes, gibt es immer neue Belege für die Verantwortung des Diktators für den Giftgaseinsatz. Eliot Higgins, Gründer des Rechernetzwerks Bellingcat, postete Anfang Januar auf Bluesky den Link zu Interviews mit Zeugen des Giftgasangriffs aus dem Jahr 2018. Er schrieb dazu, diese Interviews würden „weitere Einzelheiten“ darüber liefern, „wie sie von syrischen und russischen Beamten gezwungen wurden, öffentlich über den Chemiewaffenangriff zu lügen“. „Diese Lügen wurden von den üblichen nützlichen Idioten im Westen aufgesogen und wiedergekäut.“
Aber so funktioniert Propaganda
Und Leukefeld war nicht die Einzige, die darauf hereinfiel: Der Deutschlandfunk interviewte im März 2020 den Journalisten Marc Thörner, der im Mai 2018, einen Monat nach dem Zwischenfall Duma besuchen konnte, „wenn auch nur unter Beobachtung der syrischen Militärsicherheit“, wie der Sender damals mitteilte. Auch Thörner spekulierte über die Möglichkeit, dass nicht Assads Armee, sondern syrische Rebellen für den Angriff verantwortlich gewesen sein könnte, diese Option aber nicht ins Freund-Feind-Schema der Berichterstatter passe.
Spätestens jetzt wäre es an der Zeit, Fehler zu korrigieren: Doch die NachDenkSeiten schweigen. Eine Suche unter dem Stichwort „Giftgasangriff“ auf der Homepage des Blogs geht ins Leere.
Leukefelds Sicht auf die Revolution in Syrien ist eigenwillig negativ – aber nur folgerichtig, wenn man sich ihre Rolle als Journalistin und die der NachDenkSeiten betrachtet. „Chaotisch“ nennt sie die aktuelle Situation in Syrien. Im Vorspann ihres Beitrags „Syrien nach dem Umbruch – Nachforschungen vor Ort“ heißt es: „Der Grenzübergang ist unkontrolliert und syrische Städte sind von Zerstörung, Plünderung und improvisierter Ordnung geprägt.“
Warnung vor „neuem Diktator“
In einem weiteren, kurz vor Weihnachten veröffentlichten Beitrag für die NachDenkSeiten lässt Leukefeld ausführlich einen namentlich nicht genannter „Vertreter einer alten innersyrischen Oppositionspartei“ zu Wort kommen, der über den neuen Machthaber Ahmed al-Sharaa höhnte, dieser trete auf wie „Mr. Nice“, wolle aber mit der HTS und deren Unterstützern im In- und Ausland bloß Geschäfte machen. Der Westen müsse darauf achten, dass Syrien nicht einen „neuen Diktator“ bekomme, hieß es.
Mit bedauerndem Unterton heißt es in Leukefelds Analyse über den Machtwechsel in Damaskus weiter: „Der Sieger bekommt alles, dem Verlierer bleibt Hass und Hohn, daran soll es keinen Zweifel geben.“ Es steckt eine merkwürdige Es-war-nicht-alles-schlecht-Rhetorik in der Analyse des alten Regimes.
Zweifelsfrei gibt es viele offene Fragen zur Zukunft Syriens. Aber ebenso darf es Fragen geben, warum die NachDenkSeiten sich in der Bewertung der politischen Geschehnisse in Syrien maßgeblich verlassen auf eine Autorin, die in ihrer Syrien-Berichterstattung schon seit Jahren mit Einseitigkeit aufgefallen ist und die Entwicklung „durch eine bestimmte Brille sieht“, wie Kolleg:innen monieren.
Wirklich überraschend freilich ist das nicht: Denn das Blog NachDenkSeiten hat seine Rolle als Organ vorbildlicher Gegenöffentlichkeit längst aufgegeben. Die Entwicklung zeichnete sich schon 2015 ab, als Mitgründer Wolfgang Lieb dem Portal den Rücken kehrte.
In Damaskus akkreditiert
Der Autor dieses Textes beschrieb 2012 für den Tagesspiegel, wie Leukefeld offiziell akkreditiert in Damaskus und damit mit Duldung des Assad-Regimes aus Syrien berichtete – damals noch unter anderem für die linke Zeitung „Neues Deutschland“. Nachrichtenagenturen hatten damals die Berichterstattung aus dem Bürgerkriegsland eingeschränkt. Und etwa von Reuters hieß es: „Journalisten können nach wie vor nicht frei aus Syrien berichten“. Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) erklärte: „Die wenigen Journalisten, die im Land arbeiten, müssen mit Überwachung, aber auch mit Übergriffen rechnen.“
Leukefeld aber reiste immer wieder nach Syrien, neben dem „Neuen Deutschland“ unter anderem für die linksradikale Zeitung „Junge Welt“. Auf Anfrage erklärte sie, sie könne sich mit ihrer Akkreditierung in Syrien „frei bewegen“ und „weitgehend frei berichten“. Und sagte, was sie in deutschen Medien über Syrien lese, halte sie teilweise für „beschämend einseitig und einer professionellen Berichterstattung unwürdig“. Exil-Syrer warfen Leukefeld schon damals vor, sie rühre für Assad und seine Regierung „die Werbetrommel“.
„nd“ kündigt 2023 Kooperation auf
Unter der Überschrift „Das Problem Einseitigkeit“ berichtete 2023 die „taz“, dass das „nd“ – so heißt das einstige SED-Zentralorgan inzwischen – die Zusammenarbeit mit Leukefeld wegen ihrer Syrien-Berichterstattung beende. Aus der Redaktion hatte es immer mehr Kritik gegeben. Eine „deutliche Mehrheit“ der „nd“-Mitarbeiter:innen sprach sich demnach gegen die Veröffentlichung weiterer Leukefeld-Texte aus.
Kritikpunkte: Leukefeld habe in ihrer Berichterstattung überwiegend die Verantwortung des Westens, vor allem der USA, in den Mittelpunkt gestellt. Ausgespart werde in ihren Texten, „dass für die Eskalation des Kriegs in Syrien und seiner Grausamkeiten auch die Assad-Regierung und ihre russischen und iranischen Unterstützer verantwortlich sind“. Es habe aus der Leserschaft massive Beschwerden und auch einige Abokündigungen gegeben, hieß es.
Die NachDenkSeiten fanden sich damals als journalistisches Auffangbecken für Leukefeld. Gleich zu Beginn der neuen Kooperation warf die Autorin dort ihrem alten Auftraggeber „gänzlich undemokratisches Verhalten“ und „Cancel Culture“ vor.
Der Fall Ulrich Heyden
Der Konflikt zwischen Leukefeld und dem „nd“ ähnelt dem zwischen dem Russland-Korrespondenten Ulrich Heyden und der Wochenzeitung „Der Freitag“. Diese hatte Heyden 2022 nach 20 Jahren die Zusammenarbeit aufgekündigt. Zur Begründung schrieb Chefredakteur Philipp Grassmann an den Journalisten, er habe „kein Verständnis für Ihre Positionierung im Ukraine-Krieg“. Und: „Der Westen trägt keine Mitverantwortung an diesem Krieg. Das war Putins alleinige Entscheidung.“ Es sei Heydens gutes Recht, das anders zu sehen – aber ein Autor mit dieser Haltung habe keinen Platz im „Freitag“. Heyden verwahrte sich in einer Replik gegen „die öffentliche Rede vom ,russischen Angriffskrieg‘“. Auch er schreibt nun regelmäßig für die NachDenkSeiten.
„Wohlgelitten waren Handverlesene“
Bente Scheller, ausgewiesene Kennerin der Region, hat wenig Verständnis dafür, wenn Autor:innen wie Leukefeld eine publizistische Plattform geboten wird. Die Politikwissenschaftlerin Scheller war unter anderem zwei Jahre lang Referentin für Terrorismusbekämpfung an der Deutschen Botschaft in Damaskus und leitete sieben Jahre lang das Regionalbüro Mittlerer Osten der Heinrich-Böll-Stiftung in Beirut. Inzwischen ist sie für die Grünen-nahe Stiftung in Berlin in leitender Funktion tätig.
Scheller sagt dem Volksverpetzer: „Um Pressefreiheit war es unter Assad so schlecht bestellt, dass das Land den vorletzten Platz auf der internationalen Rangliste von Reporter ohne Grenzen einnahm.“ Seriöse ausländische Medien hätten selten Visa erhalten. „Wohlgelitten waren nur die wenigen handverlesenen, die die Verbrechen des Regimes herunterspielten oder die Propaganda des Regimes verbreiteten.“
Unter Hinweis auf Leukefeld sagt die Syrien-Expertin, es sei „nicht nachvollziehbar, dass jemandem, dessen einseitige und verzerrende Berichterstattung bekannt ist, jetzt wieder eine Bühne geboten wird“. Selbst im Angesicht er Massengräber, in denen Zehntausende durch das Regime zu Tode gequälte Menschen verscharrt worden seien, benenne Leukefeld „nicht Assads grausame Herrschaft als Kernproblem“, sondern die angebliche Einmischung des Westens oder jetzt Israels.
Die Texte der NachDenkSeiten unterscheiden sich erheblich von Beiträgen in anderen Medien, die sich um eine differenzierte Sicht auf die Entwicklung in der Region bemühen. Nur ein Beispiel dafür gibt die Journalistin und Buchautorin Kristin Helberg, die selbst von 2001 bis 2008 in Damaskus lebte und damals dort – noch vor Leukefeld – offiziell akkreditierte Journalistin war. Helberg hatte schon vor fünf Jahren in einem einstündigen YouTube-Video die Aussagen des Verschwörungsideologen Daniele Ganser zu Syrien dekonstruiert.
„Eine Revolution vollendet“
Helberg ging in einem Podcast für die „Blätter für deutsche und internationale Politik“ im Dezember ausführlich auf die Lage nach dem Sturz Assads ein. Sie sagte, dass man den neuen Machthabern nicht vertrauen sollte, „das sind militante Islamisten“, aber dennoch eine „sehr disziplinierte“ Truppe. HTS – inzwischen wurde die Miliz aufgelöst – bemühe sich um öffentliche Ordnung und habe den Menschen Sicherheit gebracht, Signale ausgesendet an alle Minderheiten im Land, Christen, Alawiten, Schiiten und Kurden, „das war wichtig“. Und: „Man hat keine Übergriffe gesehen seitens dieser Kämpfer, was erstaunlich ist nach 13 Jahren Krieg in Syrien.“ Die Syrer hätten mit diesem Bürgerkrieg „einen hohen Preis“ bezahlt und würden nun sagen: „Wir haben hier eine Revolution vollendet, wir lassen uns das nicht wieder wegnehmen.“
Die NachDenkSeiten aber fokussieren auf ganz andere Aspekte. Neben den Texten Leukefelds kam im Dezember wenige Tage nach dem Machtwechsel in Syrien unter anderem der erwähnte Russland-Korrespondent Ulrich Heyden zu Wort, der in einem Beitrag unter der Überschrift „Melancholie in Moskau“ über die „für Russland bitteren Tage“ und die Hoffnungen des Landes berichtete, seine Truppen in der syrischen Luftwaffenbasis Hmeimim und im Marinestützpunkt Tartus behalten zu können: „Denn sie machen eine Luftbrücke nach Afrika möglich. Auch dort hat Russland Interessen.“
Baerbock für Abzug russischer Truppen
Der NachDenkSeiten-Redakteur Florian Warweg – er war früher in leitender Funktion beim russischen Propagandamedium RT Deutsch – machte seinem Ruf als Kreml-Propagandist dann alle Ehre. Er nahm diese Debatte im Januar mit Fragen in der Bundespressekonferenz auf. Es ging auf die Forderung von Außenministerin Annalena Baerbock, die die Schließung der russischen Basen im Rahmen ihres Damaskus-Besuches gefordert hatte.
Warweg fragte: „Aus welchen Beweggründen hat sich die Außenministerin gegen die völkerrechtlich legitimierten russischen Basen ausgesprochen, aber nicht gegen die völkerrechtswidrigen US-Basen auf syrischem Staatsgebiet?“
Der stellvertretende Sprecher des Auswärtigen Amtes, Christian Wagner, parierte: „Wenn man auf die russischen Basen oder auf die russische Präsenz, den russischen Einfluss in Syrien schaut, muss man ja vor allen Dingen auf den Kontext schauen, dass Russland über Jahre das Regime von Baschar al-Assad und dessen Gewalt gegen die Zivilbevölkerung – es wurden ja Zivilisten bombardiert – unterstützt hat. Ich glaube, auf was wir da abstellen, ist – und das hat die Außenministerin auch gesagt -, dass die Menschen in Syrien nicht vergessen haben, auf welcher Seite Russland da stand. Insofern ist das am Ende eine syrische Angelegenheit, und da stellt sich natürlich die Frage: Wie gehen die neuen Machthaber in Syrien mit der russischen Präsenz um? In diesem Kontext hat sich die Außenministerin eingelassen. Ich würde das nicht verknüpfen mit dem Antiterrorkampf, den die Amerikaner in Syrien führen.“
Warweg sagte, ihm habe sich die Antwort „jetzt nicht ganz erschlossen“. Und Ministeriumssprecher Wagner erklärte, es gehe außenpolitisch jetzt darum, „die Stabilisierung in Syrien zu begleiten und alles dafür zu tun, dass Syrien zu einer guten Entwicklung kommt“.
Aber dieses Ziel scheint dem deutschen Parallelmedium NachDenkSeiten weit weniger wichtig zu sein als hierzulande für die Interessen Moskaus zu streiten.
Artikelbild: Screenshots
The post Die NachDenkSeiten als „nützlicher Idiot“ für Assad & Putin appeared first on Volksverpetzer.