Martin Richenhagen: „Trump hat ein riesiges Volatilitätspotenzial“

Viele US-Manager buhlen derzeit um die Gunst Donald Trumps. Der deutsch-amerikanische Manager Martin Richenhagen rät deutschen Unternehmen, Distanz zu wahren und den neuen Präsidenten nicht finanziell zu unterstützen

Jan 20, 2025 - 11:44
Martin Richenhagen: „Trump hat ein riesiges Volatilitätspotenzial“

Viele US-Manager buhlen derzeit um die Gunst Donald Trumps. Der deutsch-amerikanische Manager Martin Richenhagen rät deutschen Unternehmen, Distanz zu wahren und den neuen Präsidenten nicht finanziell zu unterstützen

Kurz vor Trumps Amtseinführungen schmeißen sich einige große Unternehmen in den USA an den neuen Präsidenten ran. Sie wenden sich demonstrativ vom Klimaschutz oder der Förderung von Minderheiten ab. Prominente Unternehmer spenden für die Feierlichkeiten zur Amtseinführung. Wie repräsentativ ist das? Richtet sich die gesamte US-Wirtschaft schon auf Trump aus?
MARTIN RICHENHAGEN: Ich glaube, dass das eher Ausnahmen sind. Ich hoffe zumindest, dass es nicht zu einem anhaltenden Trend wird. Allerdings hat Joe Biden nicht zu Unrecht Kritik an der politischen Einflussnahme einiger Unternehmer geübt und gewarnt, dass Amerika sich in Richtung Oligarchie bewegt. Das ist ja nicht ganz falsch.

Geld von Großspendern spielte immer schon eine wichtige Rolle in der US-Politik. Ist das, was wir jetzt erleben, eine neue Dimension?
Es hat immer Einfluss gegeben von wohlhabenden Menschen. Einige haben schon immer stark die Konservativen unterstützt. Andere haben sich mehr demokratisch engagiert. Aber so massiv, wie Elon Musk das jetzt macht oder auch Mark Zuckerberg, habe ich das noch nicht erlebt.

Von Trump heißt es, dass er politische und geschäftliche Entscheidungen oft auf der Basis von persönlichem Interesse oder Sympathie trifft. Ist oder entwickelt sich Amerika so, dass es für Unternehmen oder Unternehmer wichtig wird, sich dem Präsidenten persönlich anzubiedern?
Trump ist jedenfalls dafür empfänglich. Er ist, wenn man so will, käuflich. Das fängt damit an, dass man eher Zugang zu ihm bekommt, wenn man ihm öffentlich zustimmt, als wenn man kritisch ist. Das ist grundsätzlich menschlich, aber bei Trump stärker ausgeprägt als bei seinen Vorgängern. Und er ist wohl auch finanziell beeinflussbar.

Was für Konsequenzen sollten ausländische, speziell Unternehmen, die in den USA aktiv sind, daraus ziehen? Können die es sich leisten, auf Distanz zu bleiben zur Trump-Administration?
Man kann und man sollte immer auf Distanz bleiben. Natürlich ist es wichtig, dass man im Rahmen von Lobbyarbeit die Interessen seines Unternehmens zur Sprache bringt und auch versucht, bestimmte Dinge zu beeinflussen – aktuell zum Beispiel die Importzölle. Aber ich empfehle keinem deutschen Unternehmen, Herrn Trump im großen Rahmen finanziell zu unterstützen.50 Aktien fürs Leben: Die besten Titel, um langfristig Geld anzulegen - Capital.de

Laufen Firmen, die auf Distanz zu Trump bleiben, Gefahr, bei wichtigen Entscheidungen ins Hintertreffen zu geraten gegenüber anderen, die gegenteilige Interessen vertreten und weniger Hemmungen haben, sich an diese Regierung ranzuschmeißen?
Man kann beispielsweise über Verbände immer noch viel erreichen. Ich hoffe jedenfalls, dass wir nicht in eine Situation kommen, in der tatsächlich alles nur noch über Bestechung organisiert wird. Aber Trump ist natürlich sehr disruptiv. Und es ist ja jetzt schon erstaunlich, dass ein vorbestrafter Lügner, ein Rassist und Frauenbelästiger, der von vernünftigen Menschen mehr als Politclown wahrgenommen wird, denn als ernsthafter Politiker, dass so jemand überhaupt gewählt worden ist. Auch das Kabinett, mit dem er sich umgeben hat, ist sehr seltsam. Deshalb muss man mal abwarten, was er jetzt macht. Trump hat ein riesiges Volatilitätspotenzial.

Ist es nur seltsam und volatil oder nicht vielmehr auch gefährlich für die amerikanische Demokratie? Und wäre es dann nicht auch eine Verantwortung von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden, sich klar für den Erhalt der Demokratie zu positionieren?
Das Problem bei Trump ist, dass er keine ethischen Leitlinien hat. Das kann natürlich auch für eine Demokratie gefährlich werden. Aber die amerikanische Demokratie ist groß und sie ist alt. Viel älter als das, was wir in Deutschland haben. Und von daher vertraue ich darauf, dass sie diese Herausforderung besteht.

Würden Sie sich nicht wünschen, dass prominente Wirtschaftsvertreter klar Stellung beziehen?
Das würde ich mir schon wünschen. Das wird aber nicht passieren, denn die meisten Wirtschaftsführer sind in diesen Dingen nicht besonders mutig.Wer ist mit Krypto reich geworden? Die reichsten Krypto-Milliardäre - Capital.de

Was für eine Stimmung herrscht bei den US-Wirtschaftsführern, mit denen sie in Kontakt sind, vor Trumps zweiter Präsidentschaft?
Anders als früher, bei Trumps erstem Wahlsieg, sind viele Leute wesentlich distanzierter und wesentlich kritischer. Das war einer der Gründe, warum ich gedacht habe, diesmal schafft er es nicht. Glühende Trump-Anhänger sind in den Unternehmensleitungen eher die Ausnahme. Die Wirtschaft ist ja international ausgerichtet, glaubt an Demokratie und freien Handel. Ich erlebe allerdings keinen Alarmismus. Man ist unsicher und wartet ab, was kommt. Diese Unsicherheit ist ein Problem für die Wirtschaft, insbesondere auch in Europa und Deutschland. Wir könnten uns auf alles einstellen, was planbar ist. Trump, der aus emotionalen Gründen unvorhersehbare Entscheidungen trifft, ist genau das Gegenteil.

Der Beitrag ist zuerst bei ntv.de erschienen. Das Nachrichtenportal gehört wie Capital zu RTL Deutschland.